HISTORISCHE ROSTOCKER BAUWERKE
Altschmiedestraße 35 / Bei der Nikolaikirche 1 a (Wohnhaus)

Text: Hans-Heinrich Schimler
Foto: Berth Brinkmann

Heutzutage möchte man ja meinen, dass so ein Pastor auch mal ein kühles Tröpfchen zischen wollte, wenn er seine Schäflein versorgt hatte. Da bot sich das Fass im eigenen Haus oder wenigstens gleich um die Ecke geradezu an. Das heutige Haus Altschmiedestraße 35 in der Rostocker östlichen Altstadt ist für derartige Gegebenheiten vergangener Tage ein wunderbares Beispiel. Wobei nicht vergessen sein soll, dass jenes Genussmittel, als das wir heute das Bier ansehen, damals in die Abteilung Grundnahrungsmittel fiel, schon deshalb nicht die jetzige Promillekraft aufwies und also auch nicht nur des reinen Vergnügens wegen genossen wurde.

Als heutiges Haus übrigens bezeichnen wir den Bau deshalb, weil es sich ursprünglich um zwei Häuser handelte, was so auch noch im letzten Rostocker Adressbuch von 1949/50 unter der Doppelnummer 35/36 verzeichnet war.

Mit viel Aufwand und Liebe restauriert, steht es als schönes Symbol barocken Bauens gleich neben der Nikolaikirche, der dieses Haus und die anschließenden Bauten an der Straße Bei der Nikolaikirche gehörten. Seine Gestalt geht aller Wahrscheinlichkeit nach auf jenes Ereignis zurück, das als Großer Stadtbrand von 1677 in der Geschichte unserer Stadt verzeichnet ist. Der schrecklichen Feuersbrunst fielen zahlreiche Häuser zum Opfer, also möglicherweise auch dieses. So ganz genau ist der Zusammenhang jedoch nicht abgesichert. Doch nehmen wir es einmal an.

Stehen geblieben war seinerzeit das Erdgeschoss. Restaurator Wolfram Vormelker konnte bei seinen Untersuchungen zahlreiche gotische Bauelemente nachweisen, die vom Alter des Hauses zeugen und seine Entstehung ins 14. Jahrhundert datieren. Die damals vielfach zur optischen Gestaltung der Fassaden verwendete Fugenritzung ist ein solcher Beleg. Auch einige Fenster- und Türbögen sind erhalten geblieben.

Nach dem großen Feuer stand das Haus vermutlich einige Jahre als Ruine, bis man mit dem Wiederaufbau begann. Damals wurde das Obergeschoss mit einigermaßen unüblichem Fachwerk aufgezogen. In Rostock war eben der in den norddeutschen Hansestädten vorherrschende Backstein dominant. Rote Farbspuren an den Balken verweisen auf die nach der Errichtung zeitweise Sichtbarkeit des keineswegs Wohlhabenheit demonstrierenden Fachwerks.

Die gotischen Hinterlassenschaften sind nicht zu sehen, denn seit 1750 trägt das Haus einen Kalkputz, was möglicherweise auch mit dem gesellschaftlichen Anspruch eines Gebäudes zu tun haben kann, aber auch eine ganz praktische Folge von Veränderungen war. Wohl um 1600 erhielt das Haus die Braugerechtigkeit. Entsprechend der Erfordernisse verfügte das Erdgeschoss über zum Transport der Fässer notwendige Türen. Auch die Fenster waren der Gestaltung angepasst. Die obere Etage diente als Kornspeicher und hatte sehr kleine Fenster, die später auch im Fachwerkbau zu finden waren.

Mitte des 18. Jahrhunderts aber ging man an den Umbau des Hauses zu Wohnzwecken. Das damit auch größere Fenster von Nöten waren, liegt auf der Hand.  Dazu musste notgedrungen die Holzkonstruktion zerschnitten werden, wenn sie denn schon nicht erneuert werden sollte. Blieb also nur, die zerstörten Strukturen zu verdecken. Das geschah mittels eines Kalkputzes, dem mit Ziegelmehl eine rote Färbung gegeben wurde.

1998 begannen die Restaurierungsarbeiten an dem inzwischen leerstehenden Gebäude. Die Entscheidung über die äußere Gestaltung fiel nach zahlreichen Überlegungen und Gesprächen zwischen den Beteiligten einschließlich des durch Birgit Mannewitz vertretenen Amtes für Denkmalpflege zu Gunsten einer Putzfassade aus. Damit sollte an das überwiegende Aussehen des Hauses angeknüpft werden. Dazu wurden am Fachwerk lediglich die notwendigen Ausbesserungen vorgenommen, so dass viel alte Bausubstanz erhalten blieb. Sichtfachwerk dagegen hätte erheblich umfangreichere Erneuerungen vorausgesetzt.

Die Nutzer und Bewohner des Hauses hätten sich allerdings eher mit dem erkennbaren Fachwerk anfreunden können. Zumal als eines der interessantesten Details in dem an der linken oberen Fassade sichtbaren Andreaskreuz ein sogenannter Hexenbesen zu erkennen gewesen wäre. Die spitz nach unten auslaufende Ausmauerung sollte Unheil vom Hause abwehren. Bleibt zu hoffen, dass der Hexenbesen auch im Verborgenen seine schützende Wirkung zeigt.

Für den neuen Putz wurde natürlich wieder Kalk verwendet. Er schützt die alten Strukturen, deutet sie aber gleichzeitig auch an. So kündet das heute in Erbbaurecht vergebene Haus gemeinsam mit seinen ebenfalls restaurierten oder neu erbauten Nachbarn in eindrucksvoller Weise von der wechselvollen Geschichte Rostocks.

 
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