HISTORISCHE ROSTOCKER BAUWERKE
Beim St. Katharinenstift 9 (ehemaliger Speicher)
von Hans-Heinrich Schimler
Mit gleich drei Adressen ist der Rostocker Kaufmann Johannes Bistorp im Register des Tarnowschen Stadtplans von 1780/90 vertreten. Eines seiner Grundstücke befand sich unter der Flurbuchnummer 957a in der Wendenstraße, das andere mit der 986 in der Faulen Straße. Von den hinteren Fenstern seines dortigen Hauses mit der späteren Nummer 2 konnte er auf zwei unmittelbar an sein Anwesen grenzende Grundstücke in der benachbarten Straße Beim St. Katharinenstift sehen, die zu seiner dritten Besitzung werden sollten. Der Stadtbrand von 1677 hatte ja bekanntlich große Teile der Altstadt vernichtet. Auch das benachbarte mittelalterliche Franziskanerkloster hatte dabei großen Schaden genommen. Es ist belegt, dass viele benachbarte Bauherren dort die Steine für neue Häuser brachen. Und das ist auch von Kaufmann Bistorp so gehandhabt haben worden, als er auf dem zum Flurstück 1009 zusammengefügten Gelände unmittelbar neben dem Kloster zu bauen begann. Mauersteine im Klosterformat belegen das. 1754 ließ er für seine Geschäfte einen Speicher für Getreide und andere Güter errichten. Er trägt die Hausnummer 9. Der neue Bau sollte eines der kleineren Wirtschaftsgebäude werden, dass dennoch aber das Bild der Stadt an dieser Stelle neben dem Kloster maßgeblich beeinflusst. Besonders eindrucksvoll ist der Anblick vom Amberg herunter, der den Speicher gemeinsam mit dem Kloster, der heutigen Hochschule für Theater und Musik, gewiss nicht der schlechtesten Nachbarschaft, zeigt.
Nach Abschluss der Bauarbeiten stand dort ein dreigeschossiger Putzbau mit Fachwerk am Giebel und am Zwerchhaus. Die Ladeluken und das korbbogige Tor darunter geben dem Haus seinen Charakter. Dabei ist die Verlegung dieser Achse an die Seite des Hauses gegenüber an anderen Rostocker Speichern durchaus eine Besonderheit.
In späteren Jahren hatte der Speicher andere Eigner. So gehörte er unter anderen dem Schiffszimmermann Carl Ladewig. Dann übernahm Heinrich Bartels den Bau. Der 1922 noch als Ackersmann Bezeichnete war Eigner der Häuser Faule Straße 5 und 6. Carl Ladewig war jedoch zunächst noch im Speicher gemeldet. In späteren Adressbüchern ist Bertels als Kaufmann registriert. 1949/50 war der Bauunternehmer Friedrich Müller vom Petridamm 14c Eigner.
Dann aber folgte eine lange Zeit des Leerstands. 1971 begannen etappenweise Rekonstruktionsarbeiten mit der Zielstellung, ein Speichermuseum einzurichten und Platz für ein Museumsdepot zu schaffen. Leider wurden diese Pläne nicht umgesetzt. 1974 erhielt der Speicher ein neues Dach sowie neue Fenster und Luken. In den achtziger Jahren wurden weitere Sanierungen in Angriff genommen. Sie bleiben unvollendet. Das seinerzeit eingebaute Treppenhaus fand bei den derzeitigen Umbauten Verwendung.
Denn nun endlich steht dem Denkmal eine erfreuliche Zukunft ins Haus. Die neuen Eigner bauten den Speicher zu einem Wohnhaus um. Dabei gingen sie mit denkmalgerechter Behutsamkeit vor, was sich auch im Äußeren widerspiegelt. So wurden Luken durch Sonnenschutz ersetzt. Die Gauben lehnen sich an die alten Vorbilder an. Eingebaut wurden vier Wohnungen in Größen von 90 bis 130 m². Mit der vorhandenen Deckenhöhe des Speichers konnte kein Wohnraum geschaffen werden. So entschlossen sich die Bauherren, aus zwei Speicheretagen eine Wohnetage mit eingefügten Galerien zu machen. Im Dachbereich entstanden ebenfalls originelle Räume. Die architektonische Besonderheit liegt in der betonten Belassung des alten Balkenwerks. Soweit möglich, wurde das Holz erhalten. War dies, wie im Dachbereich, nicht möglich, kam neues Balkenwerk hinzu.
So bleibt eines der bedeutendsten Denkmale der Rostocker Wirtschaftsgeschichte erhalten.
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