HISTORISCHE ROSTOCKER BAUWERKE
Fährberg 1 (Altes Fährhaus)

Text: Hans-Heinrich Schimler, Fotos: Sammlungen Hans-Heinrich Schimler, Berthold Brinkmann

Am 1. Juni 1888 vergab das Rostocker Polizeiamt unter der Nummer 1759/2 eine Schankkonzession für die „Gehlsdorfer Fähre, Bauerngut Nr. 10, (Fährhaus)“, wie es in der entsprechenden Akte heißt. Es war dies die Geburtsstunde für das alte Fährhaus am östlichen Ufer der Warnow. Wer der Bauherr war ließ sich nicht feststellen. Angenommen wird, dass die Stadt Rostock selber das Fährhaus errichten ließ.

Von Amts wegen hatte die Stadt Rostock eigentlich wenig mit der Sache zu tun. Gehörte Gehlsdorf damals doch zum Domanialamt Toitenwinkel. Und der Landdrostei Toitenwinkel wurden dann auch die Gebühren für die Schankerlaubnis zugeführt.

Erster Pächter des Fährhauses wurde Albert Küchenmeister. Als er 1893 das nunmehr fertiggestellte Gasthaus eröffnete, strömten die Rostocker zu Hauf hinüber in das neue Ausflugsziel. Im Jahr der Eröffnung wurde auch die Konzession zum Betreiben einer Dampfschifffahrtsfährverbindung zwischen Rostock und Gehlsdorf vergeben. Dies gab der Inanspruchnahme des Fährhauses natürlich noch mehr Auftrieb.

Die Schiffe fuhren von der Schnickmannsbrücke über die Warnow und legten direkt vor der neuen Gastwirtschaft an. Etwas viel Besseres konnte dem Pächter damals wohl kaum passieren. Das Fährhaus ist das einzige von mehreren Ausflugslokalen, dass sich in dem einstigen, am 8. März 1934 in die Stadt Rostock eingemeindeten Dorf Gehlsdorf erhalten hat. Das Obergeschoss und der Saalbau sind in Fachwerk mit Klinkern ausgeführt. Im Inneren ist vor allem der Saal sehenswert. Er wird von einer eindrucksvollen Zimmermannskonstruktion geprägt.

Das Gasthaus war wohlüberlegt als Pension und Ausflugslokal mit Bier- und Kaffeegarten geplant worden. Seine Lage an der damaligen Großherzog-Friedrich-Franz III.-Straße unmittelbar am damaligen Fähranleger, war ein idealer Standort. 1936 erhielt der Abschnitt der Straße von der Gehlsheimer Straße bis zum Warnowufer die Bezeichnung Fährberg. Namensgeber waren die Fährhufe, das Fährgehöft und die Fähre.

„Was konnte es denn schon Schöneres geben, als so an einem sonnigen Nachmittag dicht am Ufer der Warnow zu sitzen, sich angenehm etwas zu erzählen, vor sich das Leben und Treiben der ankommenden und ablegenden der Boote, dazwischen noch Segelboote, die ebenfalls an der Brücke festmachten, und mitten auf der Warnow mal ein Frachtschiff oder die Vergnügungsdampfer nach und von Warnemünde.“

Viel schwärmerischer als der Rostocker Goldschmied Werner Tschirch hat wohl niemand die sonntägliche Idylle im Biergarten des denkmalgeschützten Fährhauses am Gehlsdorfer Warnowufer geschildert. Der Bruder des Malers Egon Tschirch hatte in seinen 1964 erschienen Erinnerungen unter dem Titel „Rostocker Leben im Rückblick auf 1900“ seine Heimatstadt liebevoll beschrieben. Werner Tschirch war, als er das Fährhaus kennen lernte, gerade mal sieben Jahre alt.

Die Rostocker waren begeistert und kamen auch im von Tschirch beschriebenen Jahre 1900 in Scharen. Mit den Fähren „Rostock“ und „Gehlsdorf“ schipperte man über die Warnow um auf der „Fähre“, also im Fährhaus an Land zu gehen. Erwachsene zahlten für die Überfahrt drei, die Kinder zwei Pfennig. Auch mit dem Motorboot „Ilse“ sowie mit Ruderbooten kam man über den Fluss.

Dort angekommen gab es gleich etwas zu lesen. Hieß es auf einer nicht zu übersehenden Tafel doch „Der alte Brauch wird nicht gebrochen, hier können Familien Kaffee kochen!“ Und das ließ man sich natürlich nicht zweimal sagen. Die Familie Tschirch umfasste sechs Personen, die Eltern und vier Kinder. Da musste für einen Nachmittag in der Fähre schon einiges mitgeschleppt werden, vor allem, wenn man bis zum Abend bleiben wollte. Es wurden also Kuchen und Stullen- Pakete eingepackt. In einer kleinen Kaffeeküche gab es Geschirr und große Kaffeekannen, in denen der mitgebrachte Kaffee mit heißem Wasser aufgegossen wurde. Für zwanzig bis dreißig Pfennige wurden die Kannen gefüllt. Dann konnte das Schmausen beginnen. Und Musik gab es zur Unterhaltung natürlich auch. Nach zwischenzeitlichen Spaziergängen gab es das Abendbrot. Das Bier dazu kostete zehn Pfennige, ein eventueller Kümmel fünf Pfennige. Besonders an den Sonntagen war der Biergarten bis auf den letzten Platz belegt.
Einkehren ließ sich aber auch schon auf der Rostocker Seite der Warnow. Unter der Adresse Schnickmannstraße 21 hatte sich dort der Restaurateur Carl Bauer mit der Dampffährhalle gegenüber der Schnickmannbrücke etabliert.

Albert Küchenmeister, den die Familie Tschirch also bei ihren Ausflügen zur „Fähre“ noch kennen gelernt hatte, blieb bis in das Jahr 1902. Ihm folgte die Gastwirtin Anna Heidtmann, die bis 1915 Pächterin des Fährhauses blieb. Dann wurde es von Bernhard Engel übernommen, der 1923 zur Trotzenburg in den Barnstorfer Anlagen wechselte. Im selben Jahr kam der Kaufmann Emil Werner als Pächter auf die „Fähre“. Die Familie Werner sollte das Haus über Jahrzehnte prägen. Im Jahre 1931 kam Martha Werner hinzu. Sie betrieb dort zunächst eine Autovermietung. 1934 übernahm sie dazu auch die Gaststätte. 1940 ist Martha Werner als Witwe gemeldet. Aber auch der Sohn Emil Werner, ist unter der Adresse zu finden. Im Notadressbuch von 1943 ist wieder Emil Werner registriert. Und auch im letzten Adressbuch von 1949/50 ist Emil Werner als Pächter gemeldet. Das Fährhaus wird aber zu der Zeit auch als Aktivistenheim der FDJ und von der GST, der Gesellschaft für Sport und Technik genutzt.
Der Rostocker Autor Reinhard Kramer schreibt dazu: „Mein Großvater - Helfer in Steuersachen mit eigenem Büro bis 1965 mit 2 Angestellten - berichtete uns gelegentlich von den Fährfahrten und dem Kaffeegarten. Auch mein Vater wird es vor 1939 noch gekannt haben.
Für uns war es seit den späten 1950er Jahren nur runtergelumpert und unzugänglich in Erinnerung, wenn wir das Gehlsdorfer Ufer bewanderten. Gelegentlich ging es entgegengesetzt in ONKEL TOMS HÜTTE. Wenn ich mich an den Beginn meiner aktiven Tätigkeiten um 1968/70 erinnere, saß dort immer noch die GST mit ihrem Seesportzentrum "August Lütgens" des GST-Bezirksvorstandes Rostock drin. Am Steg lagen die Kutter K 10 und einige Motorausbildungsboote. Im Garten standen die Gerätschaften für die Knotenbahn bzw. der Appellmast. Bis zur Abwicklung blieb die GST Nutzer des Fährhauses. Es blieb jenseits des Interesses obwohl es maritim schon interessant war. Einige Boote tauchen in meiner Volksmarine-Dokumentation auf, da von dort stammend.“

Seit 2017 wird die Pension Zum alten Fährhaus von Dirk Jahnke betrieben, der auch die Boots- und Segelschule „Baltic Sport“ führt. 2021 übernahm der See- und Segelsportverein der Hansestadt Rostock das Fährhaus. Das Restaurant im Haus wird von der Familie Löscher bewirtschaftet. Vor allem an der Fassade und an der Infrastruktur der Gastronomie sind Sanierungsarbeiten erforderlich. Nach dem Abriss des an das Restaurant grenzenden Flachbaus soll der alte Biergarten nach historischem Vorbild wiederentstehen. Das ganze Objekt ist als ein Bestandteil der Buga fest eingeplant.

 

Übersicht Übersicht