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HISTORISCHE ROSTOCKER BAUWERKE
Das Kerkhofhaus (Hinter dem Rathaus 5)

von Ingrid Ehlers (Text), Berth Brinkmann (Fotografie) und Fotografien aus den Sammlungen Hans Joachim Vormelker und dem Stadtarchiv

Die Bezeichnung des Hauses geht auf die niederdeutsche Form des Familiennamens Kirchhof zurück, die neben Kerkhof auch als Kerkhoff, Karkhof und in weiteren Schreibvarianten erscheint. Über 125 Jahre bewohnte die Familie Kerkhof dieses Haus. Sie gehörte vom ausgehenden 14. Jahrhundert bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts zu den wohlhabenden, angesehenen und somit auch einflussreichen Familien der Hansestadt, zum Kreis jener Familien, die miteinander versippt und verschwägert, Jahrhunderte hindurch die Stadtobrigkeit stellten, den Rat der Stadt. Der erste Ratsherr dieser Familie ist in den neunziger Jahren des 14. Jahrhunderts erstmals genannt und hieß Bartold (Bertold), wie später mehrere seiner Nachkommen und auch der Erbauer dieses Hauses. Der letzte Kerkhof starb Ende 1605. In der Chronik des Rostockers Vicke Schorler für 1584 bis 1625 heißt es für das Jahr 1605: "... fast am ende desselbigen ist gestorben Jochim Kirchoff in dem eckhause in der wasserstrasse wonhaftig, welcher ist der letzte menliche stamb dieses uhralten geschlechtes, welches über 300 jahr in dieser stadt im vornehmen ansehen gewesen ..."

Der Bauherr des Hauses, Bartold Kerkhof, erwarb 1454 den Magister- und Lizentiattitel, was außer seiner Herkunft die beste Qualifikation für ein hohes Amt in seiner Vaterstadt bedeutete. Seit 1465 Ratsherr, avancierte er 1474 zum Bürgermeister. Er hatte mit seiner aus einem ebenbürtigen Hause stammenden Frau Metke eine Familie gegründet, das komfortable Anwesen an der Wasserstraße bauen lassen (nicht die einzige Immobilie der Kerkhoffamilie) und stand in guter Beziehung zum mecklenburgischen Herzogshaus. 1479 ersuchte Herzog Balthasar den Rat der Stadt, für ihn Bürgermeister Bartold Kerkhof als Begleiter auf seiner Reise ins Heilige Land freizugeben. Zehn Jahre später galt Kerkhof mit einem weiteren Bürgermeister als der meistgehasste Mann der Stadt. In einer mehrjährigen harten Auseinandersetzung zwischen Rostock und dem Landesfürstentum (die sogenannte Domfehde von 1487 bis 1491), die von inneren Unruhen begleitet war, schlug Kerkhof sich auf die herzogliche Seite, suchte sogar aus der Stadt fliehend dort Schutz. Ihm und seiner Familie passierte nichts, Jahre nach Beendigung der Domfehde starb er 1499, vermutlich in seinem Bett im behaglichen Haus an der Wasserstraße. Begraben wurde er im Erbbegräbnis der Familie in St. Marien, der Ratskirche.

Im 16. Jahrhundert setzte Enkel Bartold Kerkhof die Familientradition fort. Er wurde 1525 in den Rat gewählt. Von 1546 bis zu seinem Tode 1555 amtierte er als Bürgermeister. Er oder sein Sohn Lambert (gest. 1577) könnte jener Kerkhof gewesen sein, der sich den Fayenceschmuck am Giebel des Hauses leistete. Dr. jur. Lambert Kerkhof wurde 1560 in den Rat gewählt. Er bewohnte ebenfalls dieses Haus.

Alle Enkel Bartold Kerkhofs, durch Heirat verbunden mit anderen illustren Familien, blieben kinderlos. Zum Anwesen des letzten Kerkhofenkels Jochim an der Wasserstraße/Hinter dem Rathaus gehörte außer dem Giebelhaus ein Brauhaus mit 1582 erworbener Braugerechtigkeit sowie auch noch eine Bude. Jochim Kerkhof ist also zu den Brauherren zu zählen, d.h. zu den Kaufleuten, die Bier produzieren ließen und damit einen Großhandel betrieben.

Später ging das Anwesen in den Besitz der Unternehmerfamilie Burchard über und wurde 1902 mit anderen Grundstücken zwischen den städtischen Fleischscharren und der Großen Wasserstraße von der Stadt angekauft.

Das Kerkhofhaus zählt zu den wenigen erhaltenen spätgotischen Gie­ belhäusern, wie sie einst in großer Zahl - der Rostocker Vicke Schorler hat viele von ihnen in den Jahren 1578 bis 1586 in einer 18 Meter langen farbigen Bildrolle festgehalten - die Straßen des historischen Stadtkerns säumten. So reich gestaltet wie dieses Haus waren jedoch auch damals nicht alle, denn hier handelt es sich um ein patrizisches Wohnhaus, das den repräsentativen Ansprüchen seiner Eigentümer Rechnung trug. Das um 1470 erbaute Haus macht trotz des siebenachsigen Staffelgiebels einen recht behäbigen Eindruck. Auf eine durchgehend die Vertikalität betonende Fassadengestaltung verzichtete man. Der Staffelgiebel mit seinen Spitzbogenblenden zeigt Schmuckelemente, ins Auge fallende Stilmerkmale, die mehrere Jahrzehnte jünger und dem Einfluss der Renaissancearchitektur bei Modernisierungen und Neubauten im 16. Jahrhundert auch in Rostock zuzuschreiben sind: Außer dem korbbogigen Portal fällt der buntfarbige Kachelschmuck (Fayencen) des Giebels auf. Vermutlich haben die Kerkhofs in der ersten Hälfte oder um die Mitte des 16. Jahrhunderts die Fassade auf diese Weise verschönern lassen. Die Fayencen lassen sich einteilen in eine archaisch-friedliche und eine kriegerisch-heroische Motivgruppe, es gibt allegorische Figuren und in der Spitze der Mittelstaffel des Giebels eine Kreuzigungsgruppe. Die Qualität der Fayencen ist unterschiedlich, ihre Herkunft nicht erklärt. Ob sie einer oder verschiedenen Werkstätten entstammen, ob diese in Rostock, Lübeck oder gar in Italien zu suchen sind, ist ungewiss.

AIs Ende des 18. Jahrhunderts wirtschaftliche Prosperität die Geldmittel kräftig vermehrte, setzte eine Phase reger Bautätigkeit bei Rostocks Hausbesitzern ein, die als Kaufleute meist vom Aufschwung profitierten. Zahlreiche Gebäude wurden "modernisiert", die Treppengiebel zu ge­ schwungenen Giebeln vermauert, der als antiquiert und oft roh empfundene Backstein verputzt. Deshalb überzog man irgendwann den zweigeschossigen Unterbau auch dieses Hauses mit einem hellen Putz, das Portal wurde in einen antikisierenden von Säulen umrahmten Eingang (Ädikula) verwandelt, über einem Architrav prangte ein dreieckiger Giebelaufsatz. Unangetastet blieb aber wie der Giebel die wunderbar gearbeitete spätbarocke Eingangstür aus Eichenholz.

Nach dem Grundstückserwerb und einer längeren Planungsphase ließ das Stadtbauamt Ende 1905 den historischen Häuserbestand zwischen Scharren- und Großer Wasserstraße abreißen, um Platz für die Errichtung eines modernen Verwaltungsgebäudes zu schaffen. Allein der Giebel sowie die Hälfte der sich an der Großen Wasserstraße anschließenden Außenwand des Kerkhofhauses blieben verschont. Auf dem hinteren Teil des Grundstückes errichtete man ein Gebäude für das Stadtarchiv mit einer Jugendstilfassade. Der vordere Teil wurde durchgebaut und diente im Erdgeschoss - wie noch heute - dem Standesamt als Dienstsitz. Die Räume im Obergeschoss standen der Vormundschafts- und Nachlassbehörde zur Verfügung. Die architektonische Gestaltung der neu eingerichteten Gebäudeteile einschließlich der Türen, Fenster und Treppen sowie die Inneneinrichtung, von der noch heute Teile vorhanden sind, erfolgte im Jugendstil.

Noch nach dem Richtfest für den Gebäudekomplex im Oktober 1906 entschied Stadtbaudirektor Gustav Dehn, den Giebelunterbau des Kerkhofhauses nicht wieder zu verputzen, sondern die Fassade, deren wieder freigelegtes historisches Türportal ihn offensichtlich tief beein­ druckte, gemeinsam mit dem reich verzierten Staffelgiebelaufbau zu restaurieren. In diesem Zusammenhang erhielten die Fenster im Obergeschoss unter Einsatz von Repliken vorhandener Fayencen und in Anlehnung an bekannte architektonische Details der Renaissance eine neue Gestalt. Die barocke Eingangstür fand aus konservatorischen Gründen einen angemessenen Platz im Lesesaal des Stadtarchivs. An ihre Stelle trat zwar eine schlichtere, mit der gesamten Fassade dennoch harmonisierende neue zweiflügelige Tür. Im Sommer 1907 erstrahlte der Giebel des Kerkhofhauses dann wieder in nahezu authentischer Schönheit.

Im Zuge umfangreicher und aufwändiger Sanierungsarbeiten am Gebäudekomplex in der ersten Hälfte der 1990er Jahre erfolgte im Sommer 1993 auch eine Restaurierung des Giebels. Bei dieser Gelegenheit wurde das Signet des Stadtarchivs in die Nische über dem Türportal eingefügt.

 

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