HISTORISCHE ROSTOCKER BAUWERKE
Das Kloster zum Heiligen Kreuz
von Dr. Steffen Stuth (Text), Ulrike Wittig und Berth Brinkmann (Fotografie) sowie Bildern aus den Sammlungen des Kulturhistorischen Museums, des Archivs der Hansestadt Rostock, Wolfram Vormelker und Berth Brinkmann. Alle Rechte am Beitrag liegen beim Autor bzw. den aufgeführten Sammlungen und Fotografen.
Das Kloster zum Heiligen Kreuz wurde im Jahre 1270 durch die dänische Königin Margarete mit Zustimmung ihres Vetters Waldemar von Rostock als Sühne gestiftet, wie eine um 1300 entstandene Legende berichtet. Sie hatte gemeinsam mit dem König in Dänemark Klöster aufgelöst und Klostergut für die Krone eingezogen. Das Rostocker Kloster ist nach der Gründungsreliquie, Splitter vom Kreuz Jesu Christi, benannt, die Margarete von Dänemark von der Pilgerfahrt aus Rom nach Rostock gebracht haben soll. Die verwitwete Königin lebte wahrscheinlich die letzten Jahre ihres Lebens im 1276 von Papst Innozenz V. bestätigten Kloster. Nach ihrem Tod 1282 wurde sie im Kloster Doberan beigesetzt, was gegen ihre Rolle als alleine Stifterin spricht. Wahrscheinlicher ist, dass Rostocker Bürger als Stifter größeren Einfluss nahmen als bisher vermutet.
Das Zisterzienserinnenkloster war eines von vier mittelalterlichen Klöstern und Konventen in der Stadt Rostock. Neben dem seit 1243 nachweisbaren Franziskanerkloster St. Katharinen in der östlichen Altstadt und dem 1256 gestifteten Dominikanerkloster St. Johannis in der Mittelstadt, dessen Gebäude 1831 vollständig abgebrochen wurde, siedelten sich die Nonnen im südwestlichen Teil der Neustadt, der Mitte des 13. Jahrhunderts angelegten jüngsten der mittelalterlichen Rostocker Teilstädte an. 1456 entstand in der Altbettelmönchstraße das Fraterhaus der „Brüder vom gemeinsamen Leben“ (Michaeliskloster).
Obwohl die Ordensregel der Zisterzienser bestimmte: „Keines unserer Klöster ist in Städten, Kastellen oder Dörfern zu errichten, sondern an entlegenen Orten, fern vom Verkehr der Menschen“ , entstand das Rostocker Kloster ab 1300 innerhalb der Stadtmauer.
Um 1300 lebten wahrscheinlich 20 Nonnen im Kloster. 1354 wurde ihre Zahl auf 60 reduziert. Dies spricht für ein großes und wirtschaftlich starkes Kloster, was auch die zahlreichen Grundbesitzungen und Einkünfte belegen, die im Mittelalter durch Stiftungen und Zukäufe vermehrt wurden. 1492 ordnete der Bischof von Schwerin neu. Seitdem lebten innerhalb der Klausur 40 Nonnen und 10 Laienschwestern.
An der Spitze des Klosters stand die als Priorin bezeichnete Äbtissin. Sie besaß die Aufsicht über das Kloster und hatte die Disziplinargewalt über die Nonnen. Seit 1453 stand ihr eine Unterpriorin als Vertreterin zur Seite. Der Propst, im Mittelalter zumeist ein Dominikanermönch aus dem Johanniskloster, war für die weltliche Verwaltung des Klosters und seines ausgedehnten Besitzes verantwortlich. Das Kloster nahm vorwiegend Töchter aus bürgerlichen Familien Rostocks auf. Die Nonnen hatten eine Mitgift in das Kloster einzubringen.
Vermutlich ab 1307 entstand der südliche Flügel der Klausur mit dem Schlafsaal der Nonnen, dem Dormitorium, im Dachgeschoss sowie Aufenthalt- und Versammlungsräumen im Erdgeschoss. Wahrscheinlich errichtete man zur gleichen Zeit auch den westlichen Flügel, wie bauhistorische Untersuchungen belegen konnten. Im Erdgeschoss lagen das Winter- und das Sommerrefektorium sowie ein Tagesraum, im Obergeschoss ein weiteres Dormitorium, das notwendig wurde, weil die Zahl der Nonnen rasch stieg. An die Kirche schließt der im Inneren vollständig veränderte Nordflügel der Klausur an, in dem sich ursprünglich die Küsterei und Räume für den Probst lagen. Der nördliche Kreuzgang ist, wie die übrigen, zweigeschossig. Nur auf der Westseite des quadratischen Innenhofes blieb es bei einem eingeschossigen Kreuzgang. Über den nördlichen oberen Kreuzgang gelangten die Nonnen von ihren Schlafsälen auf die Nonnenempore der Kirche.
An den östlichen Kreuzgang baute man wohl erst im späten 15. Jahrhundert ein Gebäude an. Offensichtlich in der zweiten Jahrhunderthälfte wurde hier ein massiver zweigeschossiger Eingangsbau mit den Sommerzellen für Priorin und Unterpriorin im Obergeschoss errichtet, der den ursprünglich im Norden gelegenen Zugang ablöste. Bauliche Mängel führten Anfang des 18. Jahrhunderts zu seinem Abbruch und zur Errichtung der heutigen Pförtnerei, die 1734 entstand. Im Besitz des Kulturhistorischen Museums Rostock befindet sich eine Eingangstür aus dem 15. Jahrhundert mit den typischen Klappen als Öffnungen zum Durchreichen von Gegenständen, denn die Klausur war ausschließlich den Nonnen vorbehalten.
Auch der Südflügel erfuhr in beiden Geschossen im späten 15. Jahrhundert Veränderungen. Die ehemals drei Räume im Erdeschoss wurden zu einem großen gewölbten Refektorium zusammengefasst. Mit der Restaurierung des Klosters bis 1985 wurden die späteren Einbauten entfernt und der eindrucksvolle zweischiffige mittelalterliche Saal wieder gewonnen. Die größere Raumhöhe des Erdgeschosses machte das Dormitorium im Dach nun unbenutzbar.
Vielleicht lässt sich so der etwa zeitgleiche Bau eines weiteren Flügels nordwestlich der Klausur erklären, dessen oberer Teil ebenfalls als Dormitorium diente. Auf der Westseite dieses Flügels befindet sich in beiden Etagen ein Gang, der als Konversengang gedeutet werden kann.
Neben der Klausur umfasste das Kloster zum Heiligen Kreuz weitere Gebäude wie Waschhaus, Küchenhaus, Propstei, Brauhaus, Klosterscheune oder Stallungen, wobei letztere auf dem östlich der Klausur befindlichen Nonnenhof, dem Wirtschaftsbereich, lagen. Bis auf wenige Reste des Brauhauses und der noch in Teilen erhaltenen beziehungsweise rekonstruierten Klostermauer sind diese für die Funktion des Klosters wichtigen Bauten nicht erhalten.
Das Kloster zum Heiligen Kreuz wurde während der Reformation Rostocks 1562 in ein evangelisches Frauenstift umgewandelt.
Der Übergang der Stadt zur lutherischen Lehre begann 1524 mit den Predigten des Joachim Slüter an der Petrikirche in der Altstadt. 1531 verfügte der Rat, in den Kirchen nur noch lutherisch zu predigen. Zugleich wurden die Klöster aufgelöst.
Während die Mönchsklöster verschwanden, verweigerten die Zisterzienserinnen bis 1562 die Annahme des neuen Glaubens. Energisch wehrten sie die Versuche des Rates ab, einen lutherischen Prediger an der Klosterkirche einzusetzen, Visitationen durchzuführen und das Kloster zu schließen. 1558 wandten sich einige Nonnen dem neuen Glauben zu. Die Priorin trat 1562 über.
In einem Erbvertrag zwischen den mecklenburgischen Herzögen und der Stadt Rostock wurde das Kloster zum Heiligen Kreuz 1584 in ein evangelisches Frauenstift für unverheiratete Töchter Rostocker Familien und mecklenburgischer Adliger umgewandelt. Es solle „zu christlicher auferziehung und erhaltung einlandischer jungfrauen vom adel und bürgerkinder und zu nirgend anders gebrauchet werden“, wie in der Vereinbarung hieß.
Mit der ersten nachreformatorischen Klosterordnung 1586 erhielt es eine neue Verfassung, die das Leben der Konventualinnen regelte. Seit 1605 lebten 20 Stiftsdamen im Kloster zum Heiligen Kreuz. Bei ihrer Aufnahme legten sie ein Gelübde ab und brachten eine Mitgift von mindestens 100 Talern ein.
Während die Stiftsdamen zunächst die Schlafzellen der Nonnen nutzten, entstanden in den Innenräumen der Klausur mit der Zeit modernere Wohnungen, die aus mehreren Räumen bestanden, die die Bewohnerinnen des Stiftes nach ihrem Geschmack einrichten konnten.
An der Spitze des evangelischen Frauenstiftes stand die in der Tradition der mittelalterlichen Priorin stehende Domina. Ein Klosterpropst war für die Verwaltung des immer noch umfangreichen Grundbesitzes zuständig. Mit dem allgemeinen Niedergang in Mecklenburg im 17. Jahrhundert verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation auch für das Stift. Im 18. und 19. Jahrhundert schrumpfte der Grundbesitz durch zahlreiche Verkäufe. Nach mehreren Versuchen zur Einziehung des Besitzes im 19. Jahrhundert wurde das Kloster zum Heiligen Kreuz in der Weimarer Republik 1920 geschlossen und der Besitz durch den Freistaat Mecklenburg-Schwerin eingezogen. Die Stiftsdamen, die zu diesem Zeitpunkt hier lebten, behielten lebenslanges Wohnrecht.
Die Klosterkirche zum Heiligen Kreuz, die seit dem Jahr 1899 als Universitätskirche dient, entstand Mitte des 14. Jahrhunderts und wird gegen 1360 vollendet gewesen sein. Der bestehende Bau ist eine dreischiffige Basilika mit einem einschiffigen, polygonalen Chor. Entsprechend der Bauvorschriften der Zisterzienser ist sie turmlos und besitzt nur den charakteristischen Dachreiter. Ein Querhaus fehlt. Damit weicht sie von den übrigen Zisterzienserkirchen ab, die zudem seit der Mitte des 13. Jahrhunderts mit wenigen Ausnahmen nur einschiffig waren. Die Klosterkirche zum Heiligen Kreuz wurde 1898/99 durch den Architekten Ludwig Gotthilf Möckel umfassend restauriert.
Der dreischiffige, kreuzrippengewölbte Innenraum der Kirche wird seitdem durch die neogotisch erneuerte Ausmalung bestimmt. Zugleich wurden für eine Klosterkirche wichtige Bauteile wie die Nonnenempore im Langhaus und der als Schranke zwischen Langhaus und Chor erhaltene Lettner mit der Kanzle beseitigt.
Dagegen blieben der Hochaltar aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhundert, der von seinem Platz am Lettner versetzte Laienaltar, der Kreuzigungsaltar sowie das Sakramentshaus und 49 zumeist mittelalterliche Grabplatten aus dem Fußboden erhalten. Dass die Kreuzigungsreliquie, die Königin Margarete von ihrer Pilgerfahrt zum Papst nach Rostock gebracht haben soll, diejenige ist, die sich heute an der Triumpfkreuzgruppe auf der Brust des Gekreuzigten befindet, ist wahrscheinlich, aber nicht endgültig gesichert.
Nach den Kriegszerstörungen 1944 und den Verlusten, die mit dem Wiederaufbau und Umgestaltung der Innenstadt Rostocks zur sozialistischen Großstadt verbunden waren, stellt das Kloster zum Heiligen Kreuz aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit dem ehemaligen Klosterbezirk eines der letzten geschlossenen Bauensembles des Mittelalters in Rostock dar.
Mit der Restaurierung und dem Umbau der Anlage des Klosters zum Heiligen Kreuz zum Kulturhistorischen Museum wurde eine neue adäquate Nutzung der eindrucksvollen historischen Anlage gefunden. Bis 1980, anlässlich der 18. Arbeiterfestspiele der DDR in Rostock, wurde ein erster Teil, der Südflügel mit dem Gemäldesaal und dem Grafikkabinett im Obergeschoss und dem Refektorium im Erdgeschoss eröffnet. Im Sommer 1984 wurde ein zweiter Bauabschnitt fertig: der Nordwestflügel mit Ausstellungsräumen in zwei Geschossen. Weitere Planungen wurden jedoch nicht mehr weiterverfolgt, so dass die Sanierung des Klosters unvollständig blieb.
Die aus der Kunstsammlung des „Kunstvereins zu Rostock“ hervorgegangene Sammlung bildender Kunst des Kulturhistorischen Museums Rostock umfasst heute ungefähr 1500 Gemälde, darunter die bedeutende Sammlung Niederländischer Malerei vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, Rostocker Stadtansichten einheimischer Künstler, die Kollektion der Künstlerkolonien Schwaan und Ahrenshoop sowie zahlreiche Porträts Rostocker und Mecklenburger Provenienz. Zur Grafischen Sammlung gehören rund 12.000 Blätter vom 16. bis zum 20. Jahrhundert sowie zahlreiche Plastiken vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert.
Die aus der Sammlung des “Vereins für Rostocks Altertümer” und seinem Altertumsmuseum hervorgegangenen Bestände dienten ursprünglich der Dokumentation der Stadtgeschichte, der Darstellung der Entwicklung der städtischen Wirtschaft und der Lebensumwelt der Bürger Rostocks. Neben den kunsthandwerklichen Sammlungen gehören zu diesem Bereich die Münz- und Medaillensammlung, die Möbelsammlung, die Militaria-Sammlung, die Ur- und Frühgeschichtliche Sammlung und die aus dem Völkerkundemuseum hervorgegangene Ethnografische Sammlung.
Zu den kunsthandwerklichen Sammlungen des Kulturhistorischen Museums zählen heute neben der Silber- und Zinnsammlung mit dem Besitz der Rostocker Handwerksämter und dem Rostocker Kunsthandwerk die Keramiksammlung, eine Uhrensammlung, eine Instrumentensammlung sowie die Kollektionen zum Alltagsleben vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Die Bestände umfassen rund 35.000 Objekte. Die Numismatische Sammlung umfasst ungefähr 15.000 Münzen, Medaillen, Orden und anderes. Die Möbelsammlung zählt heute rund 600 Stücke, die Militärgeschichtliche Kollektion 300 Objekte, darunter die Rostocker Kanonen. Die archäologisch orientierte und ab 1990 nicht mehr fortgeführte Ur- und Frühgeschichtliche Sammlung besitzt ungefähr 27.000 Stücke. Die Ethnografische Sammlung wurde bei der Auslagerung 1942-1945 weitgehend zerstört. Ihre Reste wurden bis auf wenige Stücke an das Leipziger Völkerkundemuseum abgegeben.
Erst ab 1997 konnte mit der Instandsetzung des Westflügels des Klosters zum Heiligen Kreuz die Umsetzung eines der Bedeutung des Museums und seiner Bestände für Mecklenburg-Vorpommern und Norddeutschland angemessenen neuen Konzeptes für das 1859 gegründete Kulturhistorische Museum Rostock, eines der größten und bedeutendsten Museen Mecklenburg-Vorpommerns begonnen werden.
Luftbilder des Klosters 2016
Infos zu Öffnungszeiten und Ausstellungen unter Kulturhistorisches Museum
|