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HISTORISCHE ROSTOCKER BAUWERKE
Schillerplatz 2 (ehemaliges Wohnhaus)

von Hans-Heinrich Schimler (Text und Fotos)

Zum Ende des 19. Jahrhunderts wuchs vor dem Steintor ein neues Wohnviertel heran, das folglich als Steintor-Vorstadt in die Baugeschichte Rostocks einging. Es war das Viertel der "Besserverdienenden", um es mal mit einem "gelb-parteilichen" Wort zu umschreiben. Entsprechend sahen auch die Einträge in den Rostocker Adressbüchern jener Jahre aus. Ein nach Plänen des Städteplaners Professor Baumeister aus Karlsruhe geschaffenes Straßennetz wurde mit Plätzen aufgelockert, was die ohnehin schon ansprechende Wohnqualität noch weiter erhöhen sollte. Der wohl attraktivste Platz wurde 1905 anlässlich seines einhundertsten Todestages nach Friedrich Schiller benannt. Der dreieckige Platz wurde nach und nach mit Villen umbaut.

Als einer der ersten "Umzügler" aus der Innenstadt ließ sich 1907 Carl Martens dort eine ansehnliche Villa errichten. Es war das zweite bebaute Grundstück am Platz. Die Jahreszahl, die Initialen C. M. und ein Weinfass verweisen auf Bauzeit und Bauherrn. Die Firma Martens war eine der größten Weinhandlungen in Mecklenburg und hatte ihren angestammten Sitz in der Großen Wasserstraße 29, links neben der Likörfabrik Julius Krahnstöver.

Doch wie andere auch, ließ sich Carl Martens von der höheren Wohnqualität vor den Toren der Stadt verlocken. Und so wurde sein neues Haus auch zu einem sehenswerten Bauobjekt, das der Vorstadt gut zu Gesichte stand. Äußerlich war es dem seinerzeit modernen Historismus verpflichtet. Ein flaches Risalit mit hohem Giebel und Erker in der Mittelachse, zwei Gauben in den seitlichen Dachbereichen, Vasen auf den Giebeln und gediegener Stuck sind die architektonisch prägenden Elemente der Villa. Das Innere wird durch repräsentative Wohnräume, reichlich Nebengelass und den erforderlichen Mädchenkammern geprägt. Auch das Treppenhaus mit dem schönen Geländer ist von beachtlicher Qualität. Selbst ein Waschbecken blieb original erhalten. Der noch vorhandene Bauplan, datiert mit dem 1. Mai 1907, gewährt Einblicke in die Anlage des Hauses.

Carl Martens, der im Adressbuch von 1917 erstmals als Commerzienrat geführt wird, lebte bis zu seinem Tode im Haus. 1928 ist seine Witwe Elisabeth, geb. von Leitner, Eignerin des Hauses.

Carl Martens besaß jedoch noch ein weiteres bemerkenswertes Gebäude in der Stadt. Seit 1911 gehörte ihm das Haus Blücherstraße 23/24. Hinter der Adresse verbarg sich nichts Geringeres als das Hotel "Fürst Blücher", das bis 1923 der Hotelier Georg Menzel betrieb. Dann aber war Carl Martens der Eigner. B. Menzel, wohl die Witwe, führte das Hotel als Pächterin weiter. Später übernahm Richard Okrent das Hotel. Seit 1930 war Okrent schließlich Eigner von Haus und Hotel. Es wurde im Krieg zerstört.

Nach dem Tod Carl Martens verblieb seine Witwe im Haus am Schillerplatz. Sie ist auch noch im letzten Rostocker Adressbuch von 1949/50 als Besitzerin genannt. Sohn Georg, der das Geschäft weiterführte, wechselte in den alten Familiensitz in der Großen Wasserstraße. Das Haus erlitt im Krieg größere Schäden. Lediglich das Erdgeschoß mit den Utluchten und die erste Etage blieben erhalten.

Am 20. Januar 1941 wurde im Haus am Schillerplatz das Konservatorium der Seestadt Rostock eröffnet. Tags darauf nahmen 163 Schüler den Unterricht auf. Der Krieg unterbrach das Wirken in den folgenden Jahren immer wieder. 1946 wagten sich engagierte Rostocker an die Wiedereröffnung. Am 1. Oktober jenes Jahres konnte der Lehrbetrieb wieder aufgenommen werden. Nach zunächst zwei anderen Rektoren drängte die sowjetische Militäradministration den bekannten Komponisten Rudolf Wagner-Régeny zur Übernahme dieser Funktion. Der Professor, der sich für Büroarbeit ungeeignet hielt, leitete das Konservatorium von 1947 bis 1950 und zwar mit großem Erfolg sowie unter dankbarer Anerkennung seiner Studenten. Nicht umsonst trägt das Konservatorium nach großem Engagement Professor Wills seit dem 22. Oktober 1978 seinen Namen. Am 11. Mai 1947 wurde es als Hochschule für Musik und Theater eröffnet. Ab 1950 verlor es den Hochschulstatus wieder und hieß dann Konservatorium Rostock - Fachschule für Musik. Einer der Studenten, der später dank seiner Tätigkeit als Generalmusikdirektor am Volkstheater Rostock zu großem Ansehen kam, war der inzwischen achtzigjährige Dirigent Gerd Puls.

Das Konservatorium "Rudolf Wagner-Régeny", Musikschule der Hansestadt Rostock ist auch heute eine gute Adresse. Als musische Ausbildungseinrichtung für derzeit 1600 Kinder und Jugendliche erfüllt es eine gewichtige Aufgabe in Sachen städtischer Kultur unserer Stadt. Die langjährige Direktorin, Kulturpreisträgerin Renate Oehme, und der jetzige Direktor Edgar Sheridan-Braun führten und führen die Tradition fort.

Die Erinnerung an den Erbauer des Hauses, das sich in städtischem Besitz befindet und dessen Räume nach wie vor Atmosphäre ausstrahlen, ist allein schon durch die äußeren Attribute darin eingeschlossen.

 

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