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HISTORISCHE ROSTOCKER BAUWERKE
Schmarl-Dorf 21 (Betonschiff "Capella")

Beitrag mit freundlicher Genehmigung des Hinstorff Verlages Rostock aus MASCHINEN, SCHIFFE UND RAKETEN. Technikentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern, 1995, von Reinhard Kramer. Aktuelle Fotos von Berth Brinkmann

Während Stahl, Eisen und Holz als traditionelle Schiffbau-Werkstoffe gelten, und sich Aluminium und glasfaserverstärkte Kunststoffe Bereiche von Spezialanwendungen erobert haben, ist Beton im Schiffbau ein Material, welches nur am Rande Beachtung findet. Im Rostocker Fischereihafen saniert die „RD Arbeitsförderungsgesellschaft mbH" im Auftrag des Rostocker Schiffahrtsmuseums ein Küstenmotorschiff eigentümlicher Art. Die CAPELLA, erbaut 1944, ist ganz aus dem Baustoff Beton.

Es steht bei Besuchern die Frage im Raum, ob ein Schiff aus Beton überhaupt schwimmt. Mit Beton verbindet sich der monolithische Gedanke an die Bauindustrie. Ganz im Gegensatz zum Stein schwimmt das Schiff als Verdrängungskörper. Aus der Idee des Ingenieurs entstanden in Verbindung mit einer besonderen Technologie Schiffe, die den hohen Anforderungen des Seetransportes gerecht werden konnten.

Das schiffbauuntypische Material Beton ist seit 1850 Forschungsgegenstand. Erstmals entstand damals in Frankreich ein Boot aus Eisenbeton, d.h. in eisenarmierter Bauweise aus Zement. Bis in den 1. Weltkrieg hinein lassen sich weitere reine Versuchsbauten nur vereinzelt benennen. Die aufwendigen Neubauten fanden wenig Beachtung und Details von Versuchen sind aus Skandinavien und von Hamburger Baufirmen bekannt. Die Alternative des Betons als Austauschmaterial im Schiffbau fand immer dann Beachtung, wenn akuter Stahlmangel die Wirtschaft bestimmte. Beim Großserienbau eingespartes Material sollte im Krieg anderen Rüstungszweigen zur Verfügung stehen. Es experimentierte die alliierte Seite ebenso, wie auch deutsche Werften, Bauunternehmen und Reeder. Nicht die stark belasteten Werften rangen um diese Aufträge, sondern meist kleine Firmen mit wassernahem Standort führten diese Arbeiten aus. Trotzdem orientierte sich der Eisenbeton-Schiffbau an traditionellen Technologien der Branche. Diesen Betonschiffen fehlte eine ausreichende Festigkeit in den Verbänden. Der notwendige große Materialeinsatz ging zu Lasten der Tragfähigkeit solcher Schiffe, wie der GOTA­ÄLF dem ersten deutschen seegehenden Eisenbeton-Motorschiff. Es entstand 1920 auf dem Gelände der Störwerft in Wewelsfleth (Holstein).

Die international wenig ermutigenden Erfahrungen ließen das Schiffbaumaterial Beton nicht aus seiner Nische heraustreten. Noch im Jahre 1938 wurde ein Schiffbau aus Beton in Deutschland als „nicht bewährt" abgelehnt. Erst nach Kriegsbeginn und der damit verbundenen noch stärkeren Forderung zur Ausschöpfung aller Kräfte und Möglichkeiten für die Kriegsführung entstand 1940 die „Versuchsstelle des Reichsamtes für Wirtschaftsaufbau" in Nußdorf bei Wien. Sie befaßte sich auch mit der Technologie des Stahlbetonschiffbaus. Zwei Jahre später lief als erstes Bauprogramm die Fertigung von Binnentankschiffen aus Stahlbeton für die Mineralölabteilung des Reichswirtschaftsministeriums im großen Umfang an. Allerdings wiederum im überlieferten Spantenbau-Verfahren. Im Juli 1942 wurde unter Leitung von Ingenieur Ulrich Finsterwalde der Sonderausschuß Betonschiffbau beim Hauptausschuß Schiffbau eingerichtet. Ein neues Verarbeitungsverfahren von Beton im Schiffbau war einzuführen. Eine spezielle Schiffbautechnologie, weg vom Spanten - hin zum Schalenbau, bot neue Möglichkeiten, den kostengünstigen Baustoff Beton auch für den Schiffbau zu nutzen.

Die Schalenbauweise nach dem System ZEISS-DYWIDAG, in der auch die CAPELLA erbaut wurde, zeichnet sich durch besondere Flexibilität aus. Trotz mehrschichtiger Armierungen verringert sich der Stahleinsatz zu vergleichbaren Schiffen um 30 Prozent. Neue Konstruk­tionsgrundsätze erhöhten die Festigkeit der Rümpfe bis zu einer mindestens dreifachen Sicherheit gegen Stoß und allen Beanspruchungen der See und des Schiffsbetriebes. Aussteifungen konnten beim Schalenbau weitestgehend vermieden werden, was sich auch in den klaren Linien der Schiffsinnenräume an Bord der CAPELLA zeigt. Diese Art der Konstruktion ersparte trotz erhöhten Materialeinsatzes wertvolles Schiffseigengewicht zugunsten der Tragfähigkeit. Zur weiteren Gewichtsreduzierung der Rümpfe entwickelte die „Schalenschiffbau Dr. Erich Lübbert & Co. Kommanditgesellschaft" im Zusammenwirken mit den „Ost- und Mitteldeutschen Zementwerken" einen Leichtbeton. Sein wesentliches Element ist ein Zuschlagsstoff aus geeigneten Tonsorten, der sich nach entsprechender Behandlung innen porös zeigt und außen von einer gesinterten, wasserdichten Hülle umgeben ist.

Nach der Lösung technologischer Probleme wurde Ende 1942 ein Schalenschiffbauprogramm aufgelegt. Folgende Typen gingen in Fertigung:

Motortankschiff 3 770 tclw
Frachtschiff 3 650 tdw
Frachtmotorschift 300 tdw
Binnengüterschiff 1000 tdw

Im Auftrag der „Schalenbau KG" übernahm das eingeführte Bauunternehmen „Dyckerhoff & Widmann KG" die Konstruktion und den Betonbau. Diese Art der Vergabe erfolgte vor dem Hintergrund, daß die deutsche Werftindustrie bereits zu diesem Zeitpunkt hohen Forderungen des Kriegsschiffbaus und der Handelsflotte unterlag. Den Bauunternehmen fehlte noch jede Erfahrung in dieser speziellen Technologie. Betonschiffe in Schalenbauweise wurden „kopfstehend" kieloben erbaut. Das erleichterte es, die mehrlagige Stahlarmierung einzubauen, um anschließend den Leichtbeton auf die Eisenlage und ein 4 mm starkes Maschendrahtnetz einzubringen. Überschüssiges Anmachwasser des Betons entwich schnell, und es folgte der Außenputz mittels Hartbeton, der sich monolithisch mit dem Leichtbeton wasserdicht verband. Die Schalendicke (d.h. die Außenhautdicke) betrug bei Küstenmotorschiffen 80 mm. 50 Jahre im Wasser liegend, ist beispielsweise die CAPELLA heute immer noch absolut dicht, ihre Schiffsinnenräume empfehlen sich als staubtrocken für den Museumsbetrieb. Vor Abschluß der Bauarbeiten ist die getrocknete Außenhaut maschinell beschliffen worden. So konnte die hohe Oberflächengüte erzielt werden, die zusammen mit der strömungstechnisch günstigen Rumpfform den Schiffswiderstand deutlich reduzierte.

Bauort für alle Betonierarbeiten am kieloben liegenden Schiff waren flutbare Baugruben am offenen Strand von Rügenwalde in Pommern. Hier erbaute man die 3770 tdw-Motortankschiffe in Serie. Das erste Küstenmotorschiff der Baustelle Ostswine ging Ende April 1943 zu Wasser. Alle drei Wochen folgte der nächste Bau nach. Es stand am Ort eine Querhellinganlage mit drei Bauplätzen zur Verfügung. Alle anderen Ausrüstungen der Baustelle entsprachen denen eines guten Betonwerkes. Von allen betonfertigen Rümpfen rüstete die Klotzwerft acht Einheiten vollständig aus. Sie traten in Dienst der Transportflotte „Speer". Die CAPELLA, deren Namen vom Vergabeschema abwich, war nicht darunter. In Rotterdam und Larvik bei Oslo befanden sich die Baustellen auf Kaianlagen. Die Betonrümpfe kamen dort mit dem Schwimmkran zu Wasser. Durch geeignete Trimmung und das einseitige Angreifen des Kranes rollten die Rohlinge in die eigentliche Schwimmlage. Zur Ausrüstung verholten Schlepper den Rumpf jeweils in zugeordnete Kleinschiffswerften. Sie montierten auf bereits miteingegossene Stahl-Fundamente alle Maschinen, Armaturen, Einrichtungen und Ausrüstungen nach herkömmlicher Werfttechnologie. Die Bauaufsicht führte der Germanische Lloyd nach speziellen Vorschriften für den Bau von Stahlbetonschiffen aus.

Bis zur Kapitulation 1945 sind Betonrümpfe in größerer Anzahl fertig geworden. Infolge nicht mehr beherrschbarer Probleme auf den Werften (Marineaufträge mit Vorrang, Materialengpässe, Zerstörungen) sind nur wenige Schiffe tatsächlich noch in Fahrt gekommen. Die zum Teil erheblichen zeitlichen Verzögerungen des Betonschiffbauprogramms resultierten nie aus Problemen des Rumpfbaus auf den Betonbaustellen. Sie hatten in jedem Falle ihre Ursachen in den Kriegsereignissen und den Mängeln bei den Ausrüstungswerften. Die wenigen in der Nachschubfahrt durch die Transportflotte „Speer" eingesetzten Schiffe erwiesen sich als robust und die gewählte Konstruktion als leistungsfähig.

Selbst erheblichen Belastungen widerstand der gewölbt ausgeführte Rumpf. Die Chemisch-Physikalische Versuchsanstalt (CPVA) der Kriegsmarine in Kiel unterzog ein Küstenmotorschiff des Typs WIKING vor Aarhus verschiedenen Sprengversuchen. Ein in 30 Meter Entfernung gezündeter 100 kg Sprengsatz knickte das Schiff in seiner Mitte. Es blieb jedoch schwimmfähig und konnte zur Schadensbeseitigung über See nach Kiel geschleppt werden. Dort im Dock stellten sich die Schäden als schnell ausbesserbar heraus. Mit der Kelle und Technologien vom Bau waren sie vollständig zu beheben.

Einzelne Küstenmotorschiffe vom Typ „Seeleichter WIKING Motor" kamen nach Kriegsende in die deutsche Frachtschiffahrt. Weitere verblieben in norwegischen Gewässern und in Dänemark. Zusammen mit der CAPELLA lassen sich weitere Betonschiffe im Küstenbereich der früheren DDR nachweisen. Ende 1945 bis zum 28. Februar 1946 ist auf Anordnung der Sowjetischen Militäradministration für Deutschland (SMAD) und unter ihrer strengen Kontrolle die Erstregistrierung aller noch vorhandenen Wasserfahrzeuge durchgeführt worden. In den Listen fanden auch diese Stahlbetonschiffe Aufnahme:

  • Stahlbetonmotorschiff HARRY BLOHM
  • Betonschiff 131
  • Stahlbetonmotorschiff CAPELLA
  • Stahlbetonküstenmotorschiff Wismar/I
  • Stahlbetonküstenmotorschiff Wismar/II
  • Betonschiff Bauerriff

International wurde der Betonschiffbau im Schwarzen Meer (Werft Varna) im sowjetischen Auftrag bis in die sechziger Jahre fortgeführt. Begonnene Motortankschiffe 3 770 tdw sind fertiggestellt worden. Neue Serien für die technische Flotte kamen hinzu. Die Sowjetunion erhielt in großer Zahl sogenannte BRANDVAKTA (Wohnschiffe). Besondere Beachtung gewann der Baustoff Beton in der Offshore-Industrie. Bohrinseln für arktischen Einsatz wurden entwickelt. Pieranlagen sind in Beton ausgeführt. Markantes Beispiel sind die Schwimmpontons der St. Pauli-Landungsbrücken im Hamburger Hafen. Randbereiche charakterisiert der Bau von Segelyachten aus Beton oder von Fischereifahrzeugen.

Angesichts wirtschaftlicher Probleme und in Kenntnis der Vorzüge des Baustoffes Beton im Schiffbau näherte man sich in der DDR im Jahre 1988 auch wieder der Entwicklung von Schwimmkörpern aus Beton. Solches Interesse bekundete das Ministerium für Verkehr mit Blick auf das Wrack des Betonschiffes vor Redentin in der Wismarer Bucht als Versuchsobjekt. Der VEB BMK Industrie­und Hafenbau beauftragte seinen Kombinatsbetrieb For schung/Projektierung/Technologie in Stralsund zur Erarbeitung von Lösungsvarianten. Auf in Schalenbauweise gebauten Pontons sollten Krane, Bagger oder Rammen ihren Arbeitsplatz finden. Gedacht war an die Ablösung von Flachprahmen FP 36, die im Wasserbau einer hohen Beanspruchung unterlagen. Der entsprechend große Instandhaltungsaufwand behinderte oftmals ihre eigentliche Verfügbarkeit als Landungshilfsmittel der Volksmarine.

Das Rostocker Schiffahrtsmuseum besitzt ein einzigartiges Stück in seiner Sammlung schwimmender Museumsschiffe, das diese Geschichte des Baustoffes Beton dem Besucher in ungewöhnlicher Form selbst präsentieren kann.

LITERATUR:

Bonduyanski, Z. P., llyaschkov, M. A. u. Vlelamed, LE. : Seeschiffe aus Eisenbeton (Projektierung und Konstruktion des Schiffskörpers), Leningrad 1966 (russ.).

Finsterwalder, U.: Betonschiffbau in Schalenbauweise, in: Z. VDI, Bd. 91, Nr. 7/1949.

Golota, G. F.: Erbauer von Eisenbetonschiffen, Leningrad 1965 (russ.).

Gröner, E.: Die deutschen Kriegsschiffe 1817 -1945, Bd. 7­ - Betonschiffbau, Koblenz 1990.

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