HISTORISCHE ROSTOCKER BAUWERKE
St.-Georg-Straße 103

von Hans-Heinrich Schimler (Text und Fotos)

Das denkmalgeschützte Haus in der Rostocker St.-Georg-Straße 103 steht an der Ecke zur kurzen Straße Am Reifergraben und ist ein Bau des aus Laage stammenden Architekten Paul Korff. Die Villa ist wie bei vielen seiner Häuser mit viel Dekor versehen. Sowohl der Erker als auch die rechts daneben angeordneten Parterre-Fenster zur St.-Georg-Straße hin sind stark gegliedert und mit Ornamenten versehen. Dabei heben sich die obere Erkeretage und die darüber gelegene Balkonbrüstung besonders kräftig ab. Sorgfältig gestaltet ist auch der zum Reifergraben gelegene Hauseingang. Die Haustür harmoniert mit der schwungvollen Ornamentik über dem Sims ebenso wie mit den kunstvollen Gittern der beiden Seitenfenster und des halbrunden Oberfensters.

Das attraktive Haus hat die Nutzer betreffend eine interessante und wechselvolle Geschichte. Im Jahre 1901 erwarb Ludwig Berringer, Besitzer einer Zementwarenfabrik am benachbarten Standort am Reifergraben 2, das Grundstück. Im Adressbuch jenes Jahres wird es als Bauplatz ausgewiesen. Daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass auch wirklich gebaut worden wäre, ist allerdings ein Trugschluss. Berringer ließ das Gelände brach liegen. 1905 erwarb Dr. Hermann Werbeck das Grundstück. Werbeck war zu diesem Zeitpunkt Eigner der Firma Ludwig Berringer Nachfolger. Doch auch er ließ noch Zeit verstreichen. Erst 1912 wurde mit dem Bau eines Hauses begonnen. Im Jahr darauf wurde das Grundstück dreigeteilt. Ab 1919 schließlich gab es mehrere Eigner. Zunächst war da der Domänenpächter Wilhelm Gruppe aus Matersen bei Clausdorf. Ihm folgte 1924 der Landmann Martin Schirmann. Ein Jahr später war Paul Schirmann Besitzer der Villa. Er war Rittergutsbesitzer zu Pankelow. 1928 ging das Haus dann an das Korps Vandalia, das das Haus bis 1936 für seine Zwecke nutzte. Der Korpsdiener Heinrich Korbow wohnte zur Miete im Hause. Nachfolger des Korps Vandalia war der Zahnarzt Dr. Ernst Lewerenz, der in jenem Jahr 1936 neuer Eigner wurde. Recherchen zu Folge ist anzunehmen, dass Lewerenz das Haus nicht selber nutzte. Er wohnte zu diesem Zeitpunkt am Schillerplatz. Ob er seinen neuen Erwerb vermietete, ist ungewiss. 1950 kam es zu einer Treuhandabwicklung. Im Adressbuch von 1950 wird der Rat der Stadt Rostock, Treuhandabwicklungsstelle, als Eigner des Hauses geführt. Dr. Lewerenz ist mit dem Wohnsitz Schillerplatz 1 verzeichnet. Von 1949 oder 1950 an bis September 1953 nutzt die FDJ-Kreisleitung Rostock-Land das Haus. Dr. Lewerenz ist wieder als Eigner der Villa genannt. Er praktiziert im Erdgeschoss mit seiner Zahnarztpraxis. Die oberen Etagen sind als Wohnräume vermietet. Am 19. Dezember 1960 verkauft er das Haus an die Universität Rostock. Dr. Lewerenz bleibt noch bis zum 18. März 1961 Mieter in seinem einstigen Besitz. Dann zieht er in den Klosterhof 2 neben dem Universitätsplatz. Nutzer des Hauses wird nun zunächst das Institut für Rechtsmedizin und Arbeitshygiene. Die Villa wird Gästehaus des Instituts. Von wohl 1964 bis 1990 ist das Institut für Marxismus/Leninismus im Haus etabliert. Anschließend hat dort bis 2005 das Institut für Musikwissenschaften seinen Sitz. Nach dessen Auszug steht das Haus für drei Jahre leer. 2008 erwirbt Mariola Brandt die Villa. Sie strebt eine Sanierung und anschließende Nutzung als Steuerbüro und Wohnungen an.

Mit dem Erwerb des Hauses durch die Steuerberaterin sollte ein neues Zeitalter anbrechen. Frau Brandt stürzte sich mit Eifer und Freude in die Erneuerung des Hauses. An ihrer Seite hatte sie den bekannten Rostocker Restaurator Jörg Schröder. Der engagierte Fachmann hatte unter anderem auch die Schatzsche Villa in der Doberaner Straße betreut. Der in der Denkmalpflege spezialisierte Rostocker Architekt Andre George hat die Leitung der  aufwendigen Sanierungsmaßnahmen übernommen. Nun galt es, eine Villa vom Anfang des 20. Jahrhunderts zu restaurieren. Dabei wurde von vorn herein Wert auf so viel Bestandserhaltung wie möglich gelegt. Die Außenfassade erstrahlt wieder in altem Glanz. Im Dach wurden drei vor Zeiten zurückgebaute Gauben wieder eingebaut. Im Inneren des Hauses warteten vielfältige Aufgaben. So wurde der Kamin im Foyer des Erdgeschosses wieder im ursprünglichen Zustand sichtbar gemacht. Gemeinsam mit seiner Umgebung ist er ein einladender Eingangsbereich des Hauses. Erhalten blieben auch weitgehendst die Stuckdecken. Sie wurden wo nötig sorgfältig aufgearbeitet. Fehlende Teile wurden wo es ging ergänzt. Auch die Türen und die Türrahmen wurden restauriert. Die Sorgfalt der auszuführenden Arbeiten ging bis hin zu Türdrückern und anderen kleinen Dingen. So blieb auch ein kleiner, nun ungenutzter Stromkasten erhalten. Insgesamt lässt sich sagen, dass dank der engagierten Arbeit aller Beteiligten ein Kleinod Rostocker Villengeschichte erhalten werden konnte. Das Haus wird über zwei Etagen als Büroraum genutzt. In der obersten Etage einschließlich des Spitzbodens sind in zuvor kleinteilig verbauten Räumen zwei Maisonette-Wohnungen entstanden.

 

 

Übersicht Übersicht

Das Haus St.-Georg-Straße 103 wird von einem
hohen Mansarddach abgeschlossen.

Ornamente an der Balkonbrüstung

Der Hauseingang der Villa liegt in der Straße
Am Reifergraben.