HISTORISCHE ROSTOCKER BAUWERKE
Tessiner Straße ("Brinckman-Brunnen")
von Wilfried Steinmüller (Text und 1 Abb.)
Berth Brinkmann (Fotografie und historische Abbildungen)
Es war der 29. März des Jahres 1914, als ein Aufruf in der Rostocker Tagespresse für reichen Diskussionsstoff in der Hansestadt sorgte. Kurz zuvor hatte sich ein Gremium mit einem besonders langen Namen gegründet, das: "Komitee zur Errichtung eines John Brinckman-Brunnens in Rostock unter dem Protektorat seiner Hoheit des Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg".
Zu den Mitgliedern dieser Initiativgruppe gehörten so namhafte Persönlichkeiten wie der Alt-Bürgermeister Dr. Maßmann, die Maler Karl Malchin und Franz Bunke, der Schriftsteller Johannes Trojan, der Brauereidirektor Georg Mahn und 35 weitere renommierte Mitglieder. Im Text des Aufrufes heißt es unter anderem: "Das Komitee will, zugleich mit der Ehrung des plattdeutschen Dichters, dessen Vaterstadt Rostock einen Monumentalbrunnen schenken, welcher der Stadt zur Zierde gereichen soll. . .. Wir bitten E.E.Rat, dieses der Stadt zugedachte Geschenk freundlichst annehmen, und uns für dessen Aufstellung einen würdigen Platz überlassen zu wollen. Es ist unser Wunsch, den Brunnen auf dem neuen Markt aufstellen zu dürfen, und bitten wir, diesen Gedanken nicht von vorneherein abzuweisen, sondern wohlwollend zu prüfen. Es ist kein Werk, welches die Person des Dichters, dem er gewidmet ist, in einem Standbild darstellt, nur ein einfaches Reliefbild des Dichters ziert den Brunnen, aber in 8 farbenfrohen Mosaikbildern, mit Darstellungen aus Rostocks und unseres Landes Volksleben, soll die Erinnerung an die Werke dieses Rostocker Kindes der Nachwelt vorgeführt werden. Gerade diese Bilder passen vortrefflich in das tägliche Leben und Treiben, das noch jetzt den Markt belebt ... Das Komitee bittet höflichst, E.E.Rat wolle sich der Übernahme des Brunnens bereit erklären und durch Gewährung des erbetenen Aufstellungsplatzes und der nötigen Wasserzuführung, unsere gute Absicht, der Stadt einen neuen Schmuck zu verleihen und den Rostocker Dichter Brinckman zu ehren, unterstützen. Die Vorarbeiten sind so weit gefördert, dass es möglich sein wird, den Brunnen zu Brinckmans hundertstem Geburtstag (3. Juli 1914) der Stadt zu übereignen, wenn die Stadt eine günstige Entscheidung, die wir erbitten, rechtzeitig trifft."
Heute mag an diesem Aufruf besonders bemerkenswert sein, dass die Herstellung des Denkmals bereits weitgehend finanziell abgesichert war und für Planung und Bau der Brunnenanlage ein Realisierungszeitraum von gut drei Monaten veranschlagt wurde. Professor Wilhelm Wandschneider, seinerzeit wohl bekanntester Künstler in Sachen plastischer Kunst im öffentlichen Raum in Mecklenburg, äußert sich gutachterlich dazu: "…Ihre Anfrage, welchen Platz ich für den Brinckmann-Brunnen am geeignetsten halten würde, habe ich erhalten. Ich glaube, dass der Marktplatz wohl am besten zur Geltung kommen würde und er hier zur Verschönerung des Stadtbildes beitragen wird. Ich kann ihnen antworten, dass mir Ihr Entwurf vor einigen Wochen bereits in der Konkurrenz zu dem Reuter-Brunnen als eine ganz besondere Erscheinung auffiel. Gerade das Zusammengehen von Malerei, Bildhauerei und Architektur in demselben erfreute mich sehr ... Er will nunmehr auf einen möglichst quadratischen oder auch runden Platz inmitten der Stadt von Häusern umgeben sein. Was nun die Umwechslung der Bilder anbelangt, so bietet da die Geschichte von Brinckman ebenso gute Motive, wie die von Reuter. Ich sollte meinen, es müsste sich in Rostock ein trefflicher Platz wohl finden."
Augenscheinlich hatte der Künstler Paul Wallat seinen Brunnenentwurf bereits drei Monate zuvor mit Reutermotiven versehen und bei dem seinerzeit stattfindenden Künstlerwettbewerb eingereicht, hier machte jedoch der "Hanne Nüte"-Entwurf des mecklenburgischen Bildhauers Ewald Holtz das Rennen, was nach der Fertigstellung und Aufstellung dieses Brunnens nur wenige Wochen vor der Realisierung zu heftigen Diskussionen in der Rostocker Bevölkerung führte, die sich nun unmittelbar auf die Umsetzung des John Brinckman gewidmeten Wasserspiels auswirkte. Wallats jetzt mit Brinckman-Themen versehener Brunnenentwurf liest sich in dessen Beschreibung so: "Der Brunnen baut auf drei Stufen auf. Er beginnt mit einem runden Becken von ca. 6,75 m Durchmesser. Auf diesem erhebt sich auf einem entsprechenden Übergangsmassiv eine kleinere, schöne und schwere Brunnenschale. Dieselbe wird von ornamentalen, kräftigen Pfeilern getragen. In der Achse dieser Schale erhebt sich ein massives Achteck von 3,60 m Höhe, welches in eine einfache dreiteilig gekrönte Kuppel ausläuft. Die Breite des Brunnens beträgt an der untersten Stufe 7,80 m. Die Höhe des Denkmals ist 5,85 m die stumpfe Säule misst an der schmalsten Stelle l,60 m Durchmesser. Für die acht Seitenflächen der Säule sind im oberen Teil Mosaikbilder von 0,90 m Höhe und 0,60 m Breite vorgesehen. Das Medaillonrelief John Brinckmans sowie die Wasserspeier sind in Bronze gedacht. Das Material ist grauer schwedischer Granit. Die Glasmosaiken erhalten einen Goldglasmosaikhintergrund. Das Brunnenbecken wird von einem Fischfries am oberen Rande begrenzt.
Die Reliefs sollen darstellen: Kasper Ohm un ick, Högerup, Uns Herrgott up Reisen, Peter Lurenz bi Abukir, De Generalreeder, De Stutenolsch, Uns Köster, Mottche Spinhis un de Pelz. Das gesamte Material gewährleistet nach fachmännischen Urteilen eine unbegrenzte Haltbarkeit."
Trotz der Führsprecher wurde es am Ende nicht der Neue Markt sondern in Sichtweite des Reuter-Brunnens unweit des Kröpeliner Tores auf dem Schröderplatz. Zwei Monate nach dessen Übergabe trafen sich die städtischen Honoratioren am 26.Juli 1914 zur großen Enthüllungsfeier und einem umfangreichen Festprogramm.
In der Übergaberede des amtierenden Bürgermeisters Clement heißt es: "Namens und im Auftrage E.E.Rates nehme ich diesen Brunnen für unsere liebe Vaterstadt Rostock gern entgegen. Zum Gedächtnis des Sohnes unserer Stadt ehrt dieser Brunnen durch seine geniale Ausführung gleichzeitig den Schöpfer, unseren Maler und Bildhauer Paul Wallat. Mit der heutigen Übergabe hat unsere Stadt nun ein weiteres Kunstwerk erhalten, das ihr zur Zierde gereicht, das ihren Einwohnern ein Festhalten an echter niederdeutscher Sprache ins Gedächtnis rufen und ihnen, sowie allen Fremden, die Rostock aufsuchen, Freude bereiten soll. So verspreche ich denn, dass die städtischen Behörden dieses schöne Kunstwerk in Obhut und Schutz nehmen werden und für die Schenkung sage ich den herzlichsten Dank der Stadt.
"Etwas schelmenhaft brachte ein ungenannter Rostocker Grafiker unmittelbar nach Fertigstellung eine Postkartengrafik heraus, die den Brunnen dann doch zu Füßen des Rostocker Rathauses zeigt.
Für den hier noch hoch geehrten Bildhauer Paul Wallat sollte seine Auftragsarbeit ein besonders bitteres Nachspiel haben. Sein zu Beginn mit dem Komitee abgeschlossener Herstellungsvertrag beinhaltete, dass er per sofort 20.000,- Reichsmark zu Abdeckung der Materialkosten und Handwerker-Rechnungen erhalten sollte. Sein eigenes Honorar von 15.000,- Reichsmark aber wurde ihm sukzessive in Raten, je nach Eingang weiterer Spenden für die Zukunft in Aussicht gestellt. Nur sechs Tage nach der Denkmal-Einweihung brach der Erste Weltkrieg aus. Weitere Spenden für das Kunstwerk blieben aus und er hatte somit das Kunstwerk nahezu ohne Honorar geschaffen.
Nicht zuletzt deshalb mag es scheinen, dass Kasper Ohm heute etwas traurig von seinem Glasmosaik zu uns herunter schaut. Ein Grund dafür ist sicher auch, dass er entgegen den Intentionen seiner einstigen Erschaffer weit von der Innenstadt entfernt aufs Abstellgleis geschoben wurde und Diebeshände auch noch die Brinckman ehrende Bronzetafel stahlen und mit hoher Wahrscheinlichkeit vernichteten. Als will er uns sagen: "he möt jo Respekt vör dat Monument hewwen!"
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