HISTORISCHE ROSTOCKER BAUWERKE
Wallstraße 3 ("Ständehaus")
von Dr. Ing. Rainer Grebin (Text), Berth Brinkmann (Fotos)
Das Ständehaus Rostock wurde in der Zeit von 1889 bis 1893 im Auftrage der Mecklenburgischen Ritterschaft als Sitz der von 1526 bis 1918 in Rostock ansässigen Landstädtischen Verwaltung (Verwaltungs- und Gerichtssitz der Landstände [1]) errichtet. Architekt war der Doberaner Baurat Gotthilf Ludwig Möckel (1835 - 1915).
Das Gebäude ist Ergebnis eines 1887 durchgeführten Architekturwettbewerbes. Als Bauplatz war das Gelände des 1880 abgebrannten Stadttheaters an der Wallstraße ausgewählt worden.
Möckel hat für seinen Beitrag den zweiten Preis hinter dem Wettbewerbsgewinner Franz Hannemann aus Leipzig erhalten. Lt. Protokoll der Prüfungskommission war jedoch keiner der zur Prämierung vorgeschlagenen Entwürfe für die Ausführung geeignet. Die Kommission empfahl, "die Wahl einer Architektur, welche mit der historischen Bauweise des Landes in Einklang steht, dunkelrothe Ziegel in Verbindung mit schwarzen, mattglasierten Steinen und event. Majoliken, ferner mit hoher Ziegelbedachung ebenfalls durch glasirte Steine belebt“.
Auf Vorschlag der Sachverständigen erhielt Möckel 1888 den Auftrag, ein ausführungsreifes Projekt zu erstellen und bei der Realisierung die Oberbauleitung zu übernehmen. Der Großherzog Friedrich Franz III. begrüßte ausdrücklich die Beauftragung in einem Telegramm aus Cannes an den Architekten.
Bei seinem neuen Entwurf verbindet Möckel bodenständige Materialien mit Motiven aus dem Hannoveranischen und setzt figürlichen Schmuck gekonnt ein. Das Gebäude gilt heute als typisches Beispiel der historisierenden Architekturhaltung des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Der Entwurf Möckels sah ursprünglich nur einen Eingang von der Steinstraße vor. Die spätere Orientierung zur Wallstraße ist offenbar der wachsenden Bedeutung des Steintorumgebung mit Rosengarten und den nahezu zeitgleich entstehenden Gebäuden des neuen Stadttheaters und des Museums geschuldet.
Das Ständehaus diente bis 1918 verschiedenen Einrichtungen der Mecklenburgischen Landstände als Gerichts- und Verwaltungssitz. So war es Sitz der Vertretung der Landstände, des Engeren Ausschusses, der Ritterschaftlichen Brandkasse der Steuer- und Katasterbehörde, der Brandversicherung der mecklenburgischen Städte, des Ritterschaftlichen Kreditvereins und der Fideikommissbehörde.
Nach der Auflösung des mecklenburgischen Standeswesens 1918 wurde das Gebäude ab 1920 schrittweise in ein Verwaltungsgebäude umgewandelt. Es war Sitz des Straßenbauamtes, der Staatskassenzweigstelle, des Arbeitergerichtes, der technischen Nothilfe und der Polizeiverwaltung des Amtsbereiches Rostock. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg blieb das Gebäude auch Sitz staatlicher Verwaltungen Mecklenburgs.
Im Jahre 1953 erfolgte die Übernahme des Ständehauses durch die Nationale Volksarmee der DDR, welche das Gebäude bis 1990 nutzte.
Seit Juli 1992 ist das Ständehaus Sitz des Oberlandesgerichtes Rostock.
Bauliche Änderungen wurden während der Zeit der bisherigen Nutzung nur in ausgesprochen geringem Umfang vorgenommen. Hierzu gehört der Abbruch der Laube (Anbau in der Steinstraße) im Jahre 1936 und das Schließen der Zugänge zur hier ursprünglich angeordneten Laubenhalle.
Auf Höhe des ehemaligen Großen Festsaales im 1./2. Obergeschoss (heute Plenarsaal) befinden sich zwischen den Blendbögen vier überlebensgroße Plastiken aus getriebenem Kupfer.
Die Figuren stellen von links nach rechts die mecklenburgischen Fürsten
Die Plastiken Nr. 1 und 2 wurden von Ludwig Brunow (*1843 in Lutheran bei Lübz / Mecklenburg, + 1913 in Berlin) in Berlin, die Plastiken Nr. 3 und 4 von Oskar Rassau in Dresden geschaffen.
Die Größe der Figuren beträgt ca. 2,25 m, die Standhöhe ca.
14 m über Oberfläche Gelände. Die Figuren verfügen über ein innen liegendes Stahlgerüst und sind mittels Anker aus Stahl mehrfach im dahinter liegenden Mauerwerk verbunden. Die Verbindungen zwischen Figur und Wandanker sind zum Teil geschraubt. Die Plastiken ruhen auf gemauerten Konsolen aus hart gebrannten Formsteinen mit darunter liegenden Konsolen in Kapitellform aus Sandstein. Auch hier ist davon auszugehen, dass eine Verankerung mit der Konsole vorhanden ist.
Seit 1992 wird das Gebäude abschnittsweise einer Grundinstandsetzung unterzogen. Auftraggeber ist das Land Mecklenburg- Vorpommern. Es ist geplant, die Baumaßnahme bis zum Frühjahr 2008 abzuschließen.
1 Landstände:
Grundlage des mecklenburgischen Ständewesens ist die Dreiteilung des Territoriums in landesherrliches (Domanium), ritterschaftliches und landschaftliches (Städte) Gebiet auf der Basis der Besitzverhältnisse des Jahres 1748. Die Stände repräsentieren auf den Landtagen den ständischen Grund und Boden sowie die daran haftenden Berechtigungen, doch nahmen sie für sich in Anspruch, auch ihre Hintersassen resp. die Einwohner der Städte zu vertreten, während der Landesherr zugleich die Bewohner des Domaniums repräsentieren sollte
1755 erfolgte die Unterzeichnung des Landesgesetzlichen Erbvergleiches (Vertrag zwischen Landesherrschaft und Ständen, in dem die Herzöge die politischen und sozialen Privilegien der Stände als Korporation wie auch der einzelnen Stände anerkannten, während die Stände ihrerseits sich zu bestimmten finanziellen Leistungen verpflichteten),
s. a http://www.verfassungen.de/de/mv/mecklenburg55-index.htm
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