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HISTORISCHE ROSTOCKER BAUWERKE
Seestraße 17 (Kurhaus und Kurhausgarten)

von Elke Onnen („Das Kurhaus in Warnemünde. Nutzungsanforderungen verändern ein Baudenkmal“ ist in der Zeitschrift „Denkmalschutz und Denkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern“, Heft 8, 2001, S. 11-19 erschienen)

Die Planungsgeschichte des Warnemünder Kurhauses reicht bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Der Fischerort Warnemünde, seit dem 14. Jahrhundert zur Hansestadt Rostock gehörend, entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem Bade- und Kurort, nachdem im benachbarten Heiligendamm 1793 das erste deutsche Seebad eröffnet wurde.

Durch den Anschluss Warnemündes an das Eisenbahnnetz stiegen die Gästezahlen sprunghaft an.

Aber nicht nur die günstigeren Verkehrsanbindungen schlugen sich in den Gästezahlen nieder, sondern auch die deutsche Sozialgesetzgebung der 1880er Jahre bewirkte einen Zulauf in den Bade- und Kurorten. [1] Vielerorts kam es zu Neubauten aber auch Erweiterungen schon bestehender Kuranlagen. In Warnemünde bemängelte man das Fehlen eines Kurhauses als Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Es gab keinen Veranstaltungsort für Theateraufführungen, Konzerte und Bälle.

In den 1890er Jahren bildete sich eine Kommission, die der allgemeinen Forderung nach einem Kurhaus Nachdruck verlieh. Es sollte ein multifunktionaler Bau mit Gesellschaftsräumen und Fremdenzimmern errichtet werden. Letztendlich sahen auch die Stadtväter die Notwendigkeit ein und bewilligten die Mittel, denn nur mit einem Kurhaus konnte Warnemünde im Vergleich mit den anderen Ostseebädern konkurrenzfähig bleiben.

Der Architekt Paul Ehmig, zu dieser Zeit Stadtbaumeister in Rostock, erstellte 1906 einen Bebauungsplan für Warnemünde, in dem er bereits den Standort für das geplante Kurhaus angibt. [2] Es sollte an der Ecke Seestraße/Moltkestraße (heute Kurhausstraße) errichtet werden. Interessanterweise lag die Hauptausrichtung des Gebäudes jedoch nach Westen zur Moltkestraße mit dem Kurgarten im Osten. Der Seeblick spielte zunächst keine Rolle.

1909 wurde von der Badeverwaltung ein Ideenwettbewerb "Zur Erlangung von Entwürfen zur Erbauung eines Kurhauses im Ostseebade Warnemünde" [3] für Architekten in ganz Deutschland ausgeschrieben. Bauplatz war der bereits von Ehmig [4] angegebene Standort, doch nun wurde eine Ausrichtung des Gebäudes mit Kursaal und Tagesrestaurant zur Strandpromenade hin gefordert. Nach der Beschreibung des Bauplatzes folgt in den Wettbewerbsunterlagen eine Auflistung der geforderten Räume: 1 großer und 1 kleiner Saal, eine Bühne, Erfrischungsräume, Lesezimmer, Musikzimmer, Spielzimmer, Billardzimmer, Toiletten, Wirtschaftsräume, mindestens drei Büros als Verwaltungsräume und optional eine Wohnung für den Pächter. Auf Hotelzimmer wurde jedoch verzichtet, da ein separates Hotelgebäude in unmittelbarer Nachbarschaft an der Moltkestraße geplant war. Für die äußere Gestaltung hatten die Architekten freie Hand. "Für die Architektur wird vornehme Einfachheit und Vermeidung von unnötigem Luxus gewünscht, die Wahl der Bauform aber den Bearbeitern überlassen. Es ist ein schlichter Putzbau vorzusehen und die Gesamtwirkung durch Silhouette zu erzielen." [5] Eine sehr wichtige Bedingung war jedoch die Einhaltung der Bausumme von 550.000 Mark.

Dem Aufruf folgten 52 Architekten; das Preisgericht vergab statt eines ersten Preises zwei zweite Preise. Prämiert wurden die Entwürfe von Wilhelm Kamper und Paul Korff sowie Richard Brodersen; zudem wurden weitere Entwürfe angekauft.

Zur Ausführung kam jedoch keiner dieser Entwürfe [6] , da der Stadtrat die benötigten Baugelder erst für das Jahr 1914 in den Haushalt einstellte. In der Zwischenzeit hatte das städtische Bauamt, federführend war der Stadtbaumeister Gustav Wilhelm Berringer [7] , eigene Baupläne, erarbeitet. Trotz der guten Quellenlage sind die Originalpläne von Berringer nicht überliefert. Die Akten des Stadtarchivs enthalten jedoch verschiedene Perspektivskizzen von Berringer, die im Februar 1913 datiert sind. Sie zeigen alle ein eineinhalbgeschossiges Gebäude mit hohem Walmdach, das von einer Laterne bekrönt wird. Die Entwürfe variieren vor allem in der Anordnung der Nebengebäude bzw. Seitenflügel.

Der Stadtbaudirektor griff verschiedene Elemente der preisgekrönten Entwürfe, u.a. von Paul Korff (halbrunde Vorbauten an der Seeseite) und von den Drittplazierten Ernst Müller & Richard Brodersen (H-förmiger Grundriss), auf. [8]

Schon die erste bekannte Skizze, 1898 von Stadtbaudirektor Dehn [9] angefertigt und vor allem die Einsendungen des Wettbewerbs zeigen das Kurhaus als ein repräsentatives Gebäude. Die verschiedenen Entwürfe favorisieren den Typus einer Dreiflügelanlage nach dem Vorbild barocker Schlossanlagen. Sie kam dem bürgerlichen Repräsentationswillen am nächsten. [10]

Der Kursaal und das Tagesrestaurant befanden sich nach dem Entwurf von Berringer an den Fensterseiten, also an den Nord- und Südseiten, mit jeweils vorgelagerten Terrassen. Der Haupteingang mit dem dahinterliegenden Vestibül und der anschließenden Wandelhalle sollte jedoch an der Moltkestraße liegen.

Im April 1914 konnte schließlich mit dem Kurhausneubau begonnen werden. Bei Kriegsausbruch im August waren bereits das Fundament fertig und die Erdgeschosszone hochgezogen; so blieb der Bau nach dem kriegsbedingten Baustopp jahrelang stehen. Erst 1920 konnte ein Weiterbau in Erwägung gezogen werden. Zur Finanzierung war eine Spielbank geplant. [11] Dieses Vorhaben scheiterte jedoch, da die Landesregierung die Konzession verweigerte. [12]

Zwei Jahre später, also 1922, wurde mit dem Anlegen des Kurhausgarten, nach Plänen von Stadtgartendirketor Schomburg, und dem Bau des Musikpavillons, der Wandelhalle und der Lesehalle an der heutigen Kurhausstraße begonnen. [13]

Die Bauarbeiten am Kurhaus selbst wurden ab 1926 fortgeführt. Trotz des schlechten Bauzustandes verzichtete man auf ein neues Fundament. [14] Berringer war wiederum für die Planung verantwortlich. Da die Kosten so gering wie möglich gehalten werden sollten, kam es zu einer Überarbeitung der Baupläne.

Vor dem Verwaltungsausschuss zu Warnemünde erläutert der Architekt diese am 9.02.1926 wie folgt: "Die Grundrißgestaltung des neuen Kurhausprojektes ergibt sich im großen und ganzen aus der alten Planung und aus den auf Grund dieser Pläne bereits aufgeführten Bauteilen, die große Abweichungen nicht oder doch nur unter erheblichen Kosten zulassen.

Erhebliche Änderungen erfordert daher auch nur der Einbau der Bühnenanlage, die die dort früher angeordente Raumanlage vollständig umgeworfen hat, während die übrige Planung in unwesentlichen Teilen Abweichungen vom Projekt 1914 hervorgerufen hat." [15]

Der H-förmige Grundriss öffnet sich nach Norden und Süden, d. h. zur Ostsee bzw. zum Kurpark hin. An beiden Seiten sind dem Bau Terrassen vorgelagert. Der Haupteingang befindet sich an der Westseite. Durch ein Foyer gelangt man in den großen, zweigeschossigen Kursaal, der an der Südseite direkt mit den Gartenterrassen verbunden ist. Nördlich schließt sich das Tagesrestaurant mit den abgerundeten Vorbauten zur Seeseite an. Im Osten lag der kleine Saal, der für kleinere Veranstaltungen wie Vereinsversammlungen oder Familienfeiern genutzt werden konnte. Die Wirtschafts- und Personalräume wurden in den Keller verlagert, zudem gab es hier ein Weinrestaurant.

Auch bei dem Außenbau griff Berringer auf Konstruktion und Material des Entwurfes von 1914 zurück. Für die Decken- und die Hauptkonstruktion wählte er Eisenbeton, für die übrigen Bauteile Ziegelmauerwerk mit einem silber-weißen Terranovaputz. Die größte Veränderung zu dem ursprünglichen Entwurf war der Verzicht auf den Baudekor und das hohe ziegelgedeckte Walmdach. Berringer gibt hierfür in seinem Erläuterungsbericht neben den vermutlich ausschlaggebenden Kostengründen auch die geänderte Architekturauffassung der Zeit an, dessen "Vorreiter" das Bauhaus in Weimar und später in Dessau war. Beeinflusst von der niederländischen Architektengruppe "De Stijl" dominieren nun klare, geometrische Formen ohne historisierenden Baudekor.

Berringer beschreibt die Wirkung des Kurhauses wie folgt: "Die Horizontale, die damit auch im oberen Abschluß des ganzen Gebäudes zum Ausdruck kommt, kehrt wieder in dem gleich behandelten Aufbau der dem Saalbau vorgelagerten Tagesrestauration und der Terrassen, die beide den Übergang bilden zu dem durch Strand, Düne und Promenade stark betonten Horizontalismus der Landschaft." [16]

Diese Wirkung der Kurhausarchitektur an der See- und an der Gartenseite wird durch den breitgelagerten Mittelbau und den flachen Dachabschluss hervorgerufen. Die Ziegelbänder aus Bockhorner Klinker am Sockel, den Terrassenbrüstungen und als Eckbetonung des zweigeschossigen Saalbaus unterstreichen diese Wirkung, ebenso wie Fensterbänder an der Westseite und die waagerechte Sprossenteilung der Fenster und Türen. Gemildert wird die starke horizontale Gliederung nur durch vertikale Klinkerstreifen über den fünf Fensterachsen an der Nordseite und Südseite und durch das Windfangfenster an der Westseite.

Ebenso inkonsequent wie der Kurhausbau mit dem neobarocken Grundriss und einem Baukörper in den Formen der "Neuen Sachlichkeit" ist der kubische Aufbau der Baumassen und die expressionistische Gestaltung vor allem an der Westseite (Treppenhausfenster). Diese Gestaltung ist auf Berringers Entwurf von 1926 noch deutlicher erkennbar: Die Ansichten von der Ost- und Südseite sowie der Westseite zeigen vor allem durch die V-förmigen Fenstersprossen im Erdgeschoss der Südseite und die Hervorhebung der Eingangssituation an der Westseite . Die aufwendig geplante Portalrahmung mit flankierenden schmalen Fenstern wurde auf drei senkrechtlaufende Ziegelbänder verringert. Ein Rest dieser Planung ist das Ornament über dem Eingang und die auf ein vertikales Fensterband reduzierte Belichtung des Windfangs. [17] Für diese Vereinfachung der Ausführung waren wiederum Ersparnisgründe ausschlaggebend. [18]

Nach fast 30jähriger Planung konnte das Kurhaus in Warnemünde am 24. Mai 1928 im Beisein von dem mecklenburgischen Ministerpräsidenten Schroeder, Vertretern der Handelskammer, der Kaufmannschaft, der Stadtvertretung und des Warnemünder Badevereins sowie Pressevertretern aus dem In- und Ausland eröffnet werden.

In der Mecklenburgischen Zeitung vom 25. Mai 1928 ist nicht nur der Festverlauf nachzulesen, sondern es wird eine detaillierte Beschreibung des Gebäudes und vor allem der Innenausstattung gegeben. Dieser Artikel gehört zusammen mit den Plänen des Innenarchitekten Walter Butzek und einigen historischen Fotos zu den wenigen Zeugnissen der Innengestaltung. Diese ist bis auf einige Türen durch die verschiedenen Sanierungen zerstört worden. Das betrifft vor allem die Stuckdecken, die Wandmalereien - dazu zählen die Wandmalereien mit heimatlichen Motiven im Kleinen Saal von der Bauhausschülerin Dörte Helm - und die originalen Lampen. [19]

Der öffentliche Kurhausbetrieb begann am Pfingstwochenende 1928. Der erste Pächter Wulff klagte bereits im Sommer über den schlechten Saisonverlauf. Ebenso unzufrieden war die Badeverwaltung, da sie den Kursaal laut Pachtvertrag nur an zwei Abenden der Woche für Konzerte bzw. für die wöchentliche Kur-Réunion nutzen durfte. Das bedeutete, dass die täglichen Kurkonzerte bei schlechtem Wetter nicht vom Kurgarten, wo sie eigentlich stattfanden, in den Saal verlegt werden konnten. Aufgrund dessen wurde von den Gästen das Kurhaus nicht bzw. nur bedingt angenommen. Weitere Kritikpunkte waren die Ausgestaltung von Saal und Restaurant und vor allem die mangelnde Schallisolierung zwischen beiden Räumen, die Parallelveranstaltungen nicht zuließ.

Wie ein roter Faden ziehen sich deshalb auch die Beschwerden des jeweiligen Pächters über die Innengestaltung und vor allem über die Baumängel durch den unfangreichen Aktenbestand. Bereits 1928 traten Feuchtigkeitsschäden in der Wandelhalle und im Fußbodenbereich des Kursaales auf. Verursacht wurden diese Mängel durch die Witterung, denen die Bauruine von 1915 bis 1926 ausgesetzt war. Hinzu kommt die kurze Bauzeit 1927/28 und die schnelle Eröffnung des Kurbetriebes; dem Bau wurde so keine Zeit zum Austrocknen gegeben. Auch die Verwendung von billigen Baumaterialien rächte sich.

Aber nicht nur die Klagen über den baulichen Zustand des Kurhauses füllen die Akten, sondern auch die ständige Forderung des jeweiligen Pächters, einen Ausbau der Dachterrassen zu veranlassen. Bereits 1930 wünschte der neue Pächter Schuler bauliche Veränderungen bedingt durch eine notwendige Umorganisation der Wirtschaftsräume. Schuler wollte einen Dachgartenausschank eröffnen, dazu war eine Außentreppe an der Ostseite erforderlich.

Beim Bau wurde bereits mit einer möglichen Nutzung dieser Terrassen gerechnet und die Decke des darunterliegenden Tagesrestaurants dementsprechend für eine Nutzlast von 400 kg berechnet. Berringer projektierte 1931 eine Wendeltreppe aus Eisenbeton an der Ostseite, deren Bau aus Geldmangel erst im Sommer 1933 realisiert werden konnte.

Eine weitere Forderung des Pächters Schuler war eine Überdachung der Terrassen. 1932 beantragte er ein Zeltdach für die Dachterrasse, dieses lehnte die Stadtverwaltung als zu provisorisch ab; einer Überdachung könne nur zugestimmt werden, "...wenn sie in einer Weise durchgeführt wird, daß sie dem Ansehen des Hauses und seiner Lage hinreichend Rechnung trägt..." [20]

In der Bauplanung war eine Glasverdachung der Gartenterrassen vorgesehen. Diese wurde jedoch nicht ausgeführt, da der Pächter Wulff von einer solchen Überdachung abriet: Bei Regen kühle der Raum aus und bei Sonneneinstrahlung würde er sich zu sehr aufheizen, so dass ein Aufenthalt für die Gäste nicht angenehm sei. Der Verwaltungsausschuss beschloss daher in seiner Sitzung vom 20.03.1928, auf eine Überdachung zu verzichten. Die Bausumme sollte für die Einrichtung eines Bierrestaurants im Untergeschoss genutzt werden. [21]

Bereits elf Jahre nach der Eröffnung kam der Kurhausbetrieb durch den Ausbruch des 2. Weltkrieges zum Erliegen. In den Kriegsjahren wurde das Gebäude zunächst von der Marineverwaltung und ab 1941 von den Heinkel-Flugzeug-Werken genutzt. Während der Kriegsjahre blieb das Kurhaus von den Bombenangriffen auf Warnemünde verschont, auch wenn der auffällige helle Putz nicht durch einen dunklen Anstrich – wie bei den übrigen Häusern in der Seestraße – sondern nur durch ein Tarnnetz verborgen wurde.

Ab 1945 nutzte man das Kurhaus wieder für Versammlungen, Theateraufführungen und ähnliche Veranstaltungen. Doch 1960 musste der Kurhaussaal aus bautechnischen Gründen geschlossen werden; Anfang der 60er Jahre kam es zu der ersten größeren Sanierung. Im Zuge dieser Baumaßnahmen wurden nicht nur neue Fenster eingesetzt, sondern vor allem die Dachkonstruktion erneuert und verändert. Dadurch kam es zu einer Erhöhung der Attika an der Ost- und Westseite, die nun über den Eckabschluss ragt. Weitere Veränderungen im Erscheinungsbild waren die jetzige einheitliche weiße Farbgebung der Ziegelbänder an der Fassade sowie ihr bündiger Gesimsabschluss und besonders die neue Sprossenteilung der Fenster. Obwohl die Größe der Fensteröffnungen beibehalten wurden, hob die veränderte Sprossenteilung die horizontale Wirkung des Kurhauses auf. Welchen Einfluss die Fenster auf den Gesamteindruck hatten, zeigte aber besonders die Neugestaltung in den 80er Jahren. Bis 1980 lief der gastronomische Betrieb weiter, doch die Baumängel waren nicht behoben worden, so dass man das Kurhaus erneut schloss. Erst drei Jahre später wurde mit einer umfangreichen Sanierung des Gebäudes begonnen, die 1986 mit der nächsten (Wieder-) Eröffnung ihren Abschluss fand.
Bei dieser Sanierung wurden zwar die alten Fensterteilungen wiederaufgenommen, die Rahmen und Sprossen bekamen jedoch statt des ursprünglichen Weiß einen dunklen Anstrich. Dadurch erfuhren die einzelnen geometrischen Formen des Gebäudes eine zusätzliche Betonung.

Die - bisher letzte - Sanierung Mitte der 90er Jahre hat die alte Fensterfarbigkeit wiederhergestellt. Ansonsten brachte sie die bisher gravierendsten Umbaumaßnahmen hervor.

Mit der politischen Wende 1989 änderten sich nicht nur die Eigentumsverhältnisse, sondern es wurden auch die Forderungen nach saison- und wetterunabhängiger Nutzung des Kurhauses wieder aktuell.

1996 beugte sich auch die Stadt Rostock diesen Forderungen - zumal die Stadt finanziell nicht mehr in der Verantwortung war - und lobte 1996 gemeinsam mit dem neuen Betreiber, einer Immobiliengesellschaft aus Bremen, einen Einladungswettbewerb aus – mit dem Ziel, das Kurhaus umzubauen und im Bereich der Terrassen baulich zu erweitern. In der Wettbewerbsaufgabe heißt es unter Punkt 2: "Die ergänzenden Baumaßnahmen im Bereich der Terrassen sind äußerst sensibel zu behandeln, mit der Zielstellung, den Baukörper Kurhaus in seiner Gesamtausstrahlung zu unterstützen" und unter Punkt 3: "Die Einhausung der oberen Seeterrasse in einer transparenten und leichten Bauform mit dem Ziel einer ganzjährigen Restaurantnutzung ist unter Verwendung von Glas und Metall vorzuschlagen. ..." [22]

Der Siegerentwurf stammt von dem Rostocker Architekten Mansfeld. Das Preisgericht begründet sein Urteil folgendermaßen: "Der Umgang mit der denkmalgeschützten Bausubstanz ist mit der diesem Entwurf eigenen Sprache sensibel, aber klar und deutlich zu lesen. Die neue Baumaßnahme ist durch Material und Form als hervorragend und dennoch als neue Bauform erkennbar." [23]

Dies trifft für die Überdachung der Gartenterrasse zu, die sich zurückhaltend zwischen die beiden Vorbauten einfügt.

Für die Einhausung der Dachterrasse wählte Mansfeld in seinem Entwurf einen wellenförmigen Dachabschluss, der bewusst gegen die klaren, blockhaften Formen des 20er Jahres Baus gesetzt wurde. So wird das Dach als moderne Zutat offensichtlich. Jedoch fehlt dem Entwurf und vor allem der Ausführung die geforderte Leichtigkeit, denn durch das getönte Glas wirkt die Terrassenüberdachung erdrückend.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Neugestaltung der Außentreppe an der Ostseite des Gebäudes. Dies ist bereits die dritte Treppe, die zu den Dachterrassen führt. Die erste Wendeltreppe wurde 1933 nach den Entwürfen von Berringer errichtet. Die zweite Treppe stammte aus den 80er Jahren. Diese wurde durch eine neue Treppe, die als Spindel einen Aufzugsschacht hat, ersetzt. Deshalb ist ihr Durchmesser wesentlich größer als der der Ursprungstreppe, und der Treppenturm wirkt so weitaus dominanter. Die beabsichtigte Symmetrie des Gebäudes wird durch den Treppenturm mit dem weit vorkragenden Dach erheblich gestört.

Auch in anderen Details variieren Entwurf und Ausführung, so dass das Kurhaus in seinem Erscheinungsbild noch stärker verfremdet wurde.

Zwar stellte man die ursprüngliche weiße Fensterfarbigkeit wieder her, verzichtete jedoch auf die vertikale Akzentuierung der Fassade durch eine farbliche und plastische Betonung der vertikalen Zierelemente. Positiv ist die wiedergewonnene farbliche Absetzung des obersten horizontalen Klinkerbandes an der West- und Ostseite, obwohl die hochgezogenen Attiken beibehalten wurden. Die Zierbänder waren bei dem Dachumbau in den 60er Jahren abgeschlagen bzw. übergestrichen worden.

So vereint das Kurhaus in seinem heutigen Aussehen verschiedene Elemente und Farbigkeiten aus den verschiedenen Bau- und Sanierungsphasen. Zu der "Verfremdung des Erscheinungsbildes" trägt auch die in Farbe, Form und Gestaltung unterschiedliche Werbung bei. Nach den Akten wurde schon 1929 über die Gestaltung und Anbringung des Schriftzuges "Kurhaus" diskutiert. [24] Damals einigte man sich darauf, dass ein der Schriftzug in schwarzen Blechbuchstaben an der Nordseite des Gebäudes angebracht werden sollte. Ebenfalls an der Nordseite befand sich in den 70er Jahre die Bezeichnung "Kurhaus" oberhalb des Gesimses. Nach der Sanierung 1986 war der Schriftzug an der Westseite des Kurhauses angebracht. Ende der 90er Jahre kam die Reklame verschiedener Getränkefirmen hinzu. Leider sind sie nicht nur in ihrer Gestaltung unterschiedlich, sondern leuchten auch in verschiedenen Farben und wirken daher sehr unharmonisch zum Gesamtbild.

Das Warnemünder Kurhaus spiegelt in seiner Baugeschichte in Teilen die Geschichte des 20. Jahrhunderts wider: Geplant während einer wirtschaftlich guten Phase wurde die Ausführung des Baus durch den 1. Weltkrieg unterbrochen. Die Bauarbeiten konnten aufgrund der schwierigen Nachkriegsjahre und der Inflation erst Mitte der 20er Jahre mit veränderten Bauplänen fortgeführt werden.

Nach der Unterbrechung durch den 2. Weltkrieg, in dem das Gebäude vom Militär und den Heinkel-Flugzeug-Werken genutzt wurde, lief der Betrieb in den 50er Jahren weiter.

Infolge immer wieder auftretender Bauschäden waren in den 60er und 80er Jahren zwei umfassende Sanierungen notwendig.

Nachdem das Kurhaus 1986 für das Publikum wiedereröffnet worden war, veränderte sich die Situation durch die Wiedervereinigung 1990: Um den veränderten Ansprüchen des Publikums aber auch der neuen Eigentümer, für die die Wirtschaftlichkeit eine ausschlaggebende Rolle spielt, Rechnung zu tragen, kam es erneut zu einem Umbau des Kurhauses.

Bei der Restaurierung 1997 stand die Denkmalpflege - ausnahmsweise - nicht vor dem Problem einer Umnutzung des Denkmals, da die ursprüngliche Funktion beibehalten wurde, sondern davor, die Ansprüche von Betreibern und Gäste an ein modernes Kurhaus und die damit verbundenen Umbaumaßnahmen zu akzeptieren. Bei genauerer Betrachtung sind die Forderungen der Investoren Mitte der 90er Jahre nicht wesentlich anders als die der Pächter um 1930: nämlich die optimale Nutzung der Terrassen durch die Anbringung eines Windschutzes, Überdachungen usw.

Die Veränderungen sind dem Kurhausgebäude nicht in jedem Falle zuträglich gewesen. Doch bei der wechselvollen Baugeschichte wird dies kein Zustand für die Ewigkeit sein.

Anmerkungen

1 vgl. Simon, Petra und Behrens, Magrit: Badekur und Kurbad. Bauten in deutschen Bädern 1780-1920. München 1988, S.11; Aufgrund der Sozialversicherungsgesetze wurde jeder Arbeitnehmer zwangsversichert, d.h. die Krankenversicherung übernahm und übernimmt auch die Kosten für eine vorbeugende Behandlung in Form einer Kur. So wurde auch Angestellten der Aufenthalt in Kur- und Badeorten ermöglicht.

2 Paul Ehmig: Bebauungsplan für Warnemünde, in: Der Städtebau, 4. Jahrgang 1907, S. 4-8

3 Wettbewerb zum Kurhaus Warnemünde, in: Deutsche Konkurrenzen, Bd. 24, Heft 3, 1909

4 Paul Ehmig war neben den Architekten Martin Dülfer und Gustav Hamann sowie den Vertretern der Warnemünder Badeverwaltung Johann Paschen und der Rostocker Bürgervertretung Ludwig Berringer Mitglied des Preisgerichts.

5 Archiv der Hansestadt Rostock, Bestand 1.1.12.2 (Gewett Warnemünde), Akte 373 und Deutsche Konkurrenzen, S.4.

6 Neben den in den Deutschen Konkurrenzen vorgestellten Entwürfen publizierten einige Teilnehmer ihre Entwürfe in verschiedenen Architekturzeitungen wie Alexander Horath in den Modernen Bauformen 10.1911 oder Fritz Usadel in der Bau-Rundschau 4.1913. Die Teilnahme von Walter Gropius, die u.a. in den Akten des Landesamtes für Denkmalpflege erwähnt wird, konnte nicht nachgewiesen werden.

7 Der 1880 in Rostock geborene Gustav Wilhelm Berringer war nach seiner Ausbildung in München, Dresden und Berlin und seiner Tätigkeit in einem Berliner Architekturbüro seit 1913 als Stadtbaumeister in Rostock angestellt. 1923 wurde er Stadtbaudirektor.

8 Berringer erstellt am 1.03.1914 den endgültigen Entwurf. Die Mappe mit den 20 Zeichnungen und Kostenanschlag für den Neubau werden in der Akte zwar erwähnt, sind aber leider nicht in derselben enthalten. Stadtarchiv Rostock, Bestand 1.1.12.2. (Gewett Warnemünde) Bau und Unterhaltung des Kurhauses Akte 373.

9 Stadtarchiv Rostock, Bestand 1.1.12.2 (Gewett Warnemünde) Bau und Unterhaltung des Kurhauses Akte 373.

10 Nicolai, Bernd: Lebensquell oder Kurschloss? Zum Spektrum der Kur- und Badearchitektur um 1900, in: Rolf Bothe (Hg.): Kurstädte in Deutschland. Zur Geschichte einer Baugattung, Berlin 1984, S.4.

11 Die Idee den Kurhausbetrieb mit den Einnahmen einer Spielbank zu finanzieren kam bereits Ende des 19. Jahrhunderts auf, wurde aber aufgrund des Glückspielverbots verworfen. Diese Idee wurde hundert Jahre später wieder aktuell und diesmal konnte sie realisiert werden.

12 Lau, Gerhard: Die Baugeschichte des Kurhauses in Warnemünde – Ein Haus im Wandel der Zeiten, in:..... Nach dem Bau einer Tiefgarage wurde über dieser Garage der Kurgarten nach historischen Vorbildern neuangelegt.

13 Cristian Meyer: Das Kurhaus in Warnemünde, in: Tidingsbringer. Ein Warnemünder Bäderjournal. Jahrgang 1 – 1996/97, S. 54-55.

14 Diese Sparmaßnahme von wirkt sich bis heute negativ aus. Selbst nach der Sanierung der 90er Jahre sind am Sockel Feuchtigkeits- und vor allem Salpeterschäden sichtbar.

15 Stadtarchiv Rostock, Akte 373, Blatt 64. - Gustav Wilhelm Berringer: Der Kurhausneubau in Warnemünde, in: Mecklenburgische Monatshefte, 3. Jahrgang, 7.Heft, Juli 1927, S. 348-349.

16 ebenda

17 Der Plan befindet sich im Bauaktenarchiv der Hansestadt Rostock. Die Planung von 1926 sah an der Ostseite eine flügelartige Verlängerung mit einem eineinhalbgeschossigen Rundbau in der Mitte vor. Dieser Rundbau schloss mit einem flachen, prismenartig verglasten Kuppeldach. In diesem Gebäudeteil sollten eine Lesehalle und Personalräume untergebracht werden. Aus Kostengründen wurde jedoch auf die Ausführung verzichtet.

18 Elemente des Kurhausentwurfs finden sich an Berringers Entwurf für ein Krematorium von 1927 wieder. Dieser Entwurf ist konsequenter im Stile der ”Neuen Sachlichkeit” gestaltet, da bei der Verschachtelung der Baumassen nicht mehr ein unzeitgemäßer Grundriss berücksichtigt werden musste. Ortwin Pelc: Rostock wird Grossstadt.Stadtplanung und Wohnungsbau in den 1920er und 1930er Jahren, in: 777 Rostock. Neue Beiträge zur Stadtgeschichte, Rostock 1995, S. 211-222, hier S.217.

19 Die Möbel wurden der Kriegsjahre in den Lagerräumen der Möbelfabrik Schulz deponiert und bei dem Bombenangriff auf Rostock 1942 zerstört. Andrasch, Jens: ”Sieben Zwanzigstel” - genossen im Kurhaus, in: Tidingsbringer. Ein Warnemünder Bäderjournal, Jg. 5 - 2000/2001. S.41-43, hier S.43.

20 Stadtarchiv Rostock, Akte 375, Blatt 175.

21 ebenda, Akte 373, Blatt 111.

22 Realisierungswettbewerb Kurhaus Warnemünde 7.06.1996, Exemplar Denkmalpflegeamt Rostock.

23 Protokoll des Preisgerichtsverfahrens über den Architesktenwettbewerb – Kurhaus Warnemünde -, 31.07.1996, Exemplar Denkmalpflegeamt Rostock.

24 Stadtarchiv Rostock, Akte 375, Blatt 148.

 

Abbildungsnachweis

Archiv der Hansestadt Rostock: 1
Foto Wolfgang Baier, Archiv Volkmar Baier: 2; 4; 5 und 6
Photo Eschenburg Archiv, Warnemünde: 3
Foto Wolfgang Baier, Archiv Volkmar Baier, Warnemünde: 4
Archiv Volkmar Baier: 7 und 8
Archiv Hans-Heinrich Schimler: 5a und 8a
Denkmalpflegeamt Rostock, A. Tiepolt: 9
Foto Berth Brinkmann: 10

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