HISTORISCHE ROSTOCKER BAUWERKE
Am Leuchtturm (Leuchtturm)
Beitrag mit freundlicher Genehmigung des Verlages Redieck & Schade GbR Rostock aus VERSCHWUNDEN - VERGESSEN - BEWAHRT?. Denkmale und Erbe der Rostocker Technikgeschichte, 1995, von
Hans-Joachim Luttermann. Aktuelle Fotos von Berth Brinkmann
Am 18. Juni 1862 wurde dem Rat der Stadt Rostock ein Entwurf vorgelegt, der den »Umbau der Hafenleuchte in Warnemünde zu einem vollständigen Leuchtturm mit prismatischem Laternenhaus« enthielt. Die bisherigen Einrichtungen wie Ziehlaterne, Nebelkanone und Glocke reichten bei zunehmender Schiffahrt nicht mehr aus. Das Leuchtfeuer war unzeitgemäß und genügte den Anforderungen zum Zwecke der Anseglung des Hafens und der Orientierung der auf See an der Warnowmündung vorüberfahrenden Schiffe nicht mehr. Das betraf sowohl die Dampfschiffahrt, als auch die Segelschiffe, die um die Jahrhundertwende noch häufig im Alten Strom anzutreffen waren. Die Ziehlaterne war schon im Jahre 1836 erbaut worden, stammte also aus einer Zeit, da die Schiffahrt während der Wintermonate fast ganz eingestellt war, als noch keine Dampfer verkehrten, und man an eine einheitliche systematische Befeuerung der Küsten nicht dachte. Doch erst am 11.09.1863 wurde der Entwurf vom verantwortlichen Gewett in Rostock in »Erwägung gezogen und allen Inhalts genehmigt«. Der Bau eines neuen Leuchtturms ließ allerdings noch 32 Jahre auf sich warten. Die langwierige Diskussion über die Kosten durch die Stadt Rostock mit den »Landräten, Landmarschallen und übrigen von Ritter und Landschaft der Herzogtümer Mecklenburg« sowie der Großherzoglichen Generaldirektion der Mecklenburgischen Eisenbahnen endete am 02.12.1896, da sich die Stände nun vom »hinreichenden Landesinteresse an der Beleuchtung der Ostsee zum Nutzen der die mecklenburgischen Küste passierenden Schiffe« überzeugt hatten.
Die Leitung der Errichtung des Leuchtturms Warnemünde gehörte zu den Aufgaben des Rostocker Hafenbaudirektors Karl-Friedrich Kerner, der seit 1885 dieses Amt innehatte. Erste Bestätigungen seines Könnens hatte er 1886 und in den Folgejahren beim Umbau der Warnowschleuse sowie des Warnemünder Hafens für den Dampfschiffsverkehr von Warnemünde nach Gedser gezeigt. Im Februar 1897 wurden durch ihn die Verträge zum Bau des Turmes mit den Maurermeistern L. Berringer, Rostock, und H. Oloff, Warnemünde sowie mit Otto Ludewig jr., Rostock, zur Rammung von 45 Pfählen und mit der Firma Gebr. Picht und Co. (Optische Industrie-Anstalt Rathenow) für die gesamte Technik in der Kuppel des Leuchtturms abgeschlossen. Allerdings wurden später nur 33 Pfähle als Fundierung elf Meter tief gerammt. Auf ihnen steht der Leuchtturm noch heute. Der Bau des Leuchtturms begann ohne Zwischenfälle, und am 09.07.1897 war der Pfahlrost, auf dem der Turm gebaut werden sollte, fertig. Die Maurerarbeiten waren bis November 1897 beendet, die Montage der Laterne erfolgte im Winter 1897/98 und bis zum Sommer 1898 waren die Innenarbeiten erledigt. Im Herbst bzw. Winter 1898 sollte das Leuchtfeuer in Betrieb gesetzt werden. Am 17. Oktober 1898 machte die Firma Picht und Co., Rathenow, dem Stadtbauamt Mitteilung, daß das Leuchtfeuer betriebsfähig sei. Zwei Tage später erfolgte die Abnahme des neuen Leuchtturms. Im Abnahmeprotokoll heißt es: »Am 19. Oktober 1898 wurde mit dem Dampfer »König Christian« eine Fahrt zur Besichtigung des neu zu Warnemünde errichteten Feuers in See ausgeführt. Dieselbe ergab, daß das Feuer in einem Abstande von ca. 16 sm sichtbar war, d. h. es waren in diesem Abstand die Blinke noch erkennbar«. Die geplanten 74.000,00 Mark für den Leuchtturm wurden durch die Erhöhung des Turmes um drei Meter - zugunsten der Schiffahrt überzogen. Die Gesamtherstellung kostete 95.000,00 Mark.
Der Turm liegt auf 54 Grad 10'59" Nord und 12 Grad 05'24" Ost. Er ist, da das Licht bestimmungsgemäß 16 Seemeilen bei mittelsichtiger Luft gesehen werden soll, bis zur Spitze 36,90 Meter über Mittelwasser der Ostsee hoch, so daß die Mitte des Fresnelschen Apparates auf der Höhe h=34,25 m über dem Wasserspiegel liegt. Das angeschüttete Gelände liegt auf sechs Meter über Null oder Mittelwasser der Ostsee. Der Turm ist in Ziegelrohbau erbaut. Er ist mit weißen Verblendern abgesetzt, die im unteren Teil, bis zur ersten Galerie, durch Streifen aus grünglasierten Ziegeln unterbrochen werden. Die beiden Galerien tragen Kragsteine aus rotem Wesersandstein. Der Bau verfügt über zwei Keller, von denen der untere, eingewölbt und nur durch einen Einsteigeschacht mittels eiserner Leiter zugänglich gemacht, als Petroleumkeller diente. Hier waren auf einer 50 Zentimeter hohen Betonschicht vier Petroleumbottiche von je 200 Litern Fassungsvermögen aufgestellt. Diese Bottiche sind nach dem Umbau auf elektrisches Licht und der Errichtung der Nebelsignalanlage am Fuß des Leuchtturmes um 1927 aus dem Keller entfernt worden. Von den Bottichen führte eine Leitung zur Laternenstube, wohin das Petroleum in ein 90-Liter-Gefäß gepumpt wurde. Die Turmtreppe wurde als Wendeltreppe aus Granit hergestellt. Der Turm erhielt elektrische Beleuchtung, die im oberen Teil an dem Gewichtsschacht angebracht ist. Die verschiedenen Gebrauchsräume, Lotsenwachstube, Materialienraum, Signalmann- und Wärterstube im oberen Teil des Turmes waren bis 1982 durch Monierwände voneinander abgeschlossen. Fenster und Türen in diesen Räumen waren aus Pechkiefernholz hergestellt. Auf dem oberen Umgang war ein Schornsteinaufsatz bis zum Dach der Laterne hochgeführt, und in diesem war der eiserne Signalmast verankert, dessen Spitze die Laternen um vier Meter überragte und an dessen Rah-Enden die Sturmsignale der Seewarte gezeigt wurden. Nach vielfältigen Verhandlungen mit Fachorganen auf staatlicher Ebene wurde festgelegt, daß der Leuchtturm Warnemünde als Einsegelungszeichen (d. h. zur Ansteuerung der Einfahrt) ein festes Licht zeigen müßte, während für die vorüberfahrenden Schiffe auf der Ostsee eine Kennung - Blitze in regelmäßigen Zeitabständen - zu erblicken sein sollten. Eine entsprechene optische Einrichtung wurde in den oberen Teil des Turmes eingebaut: Um einen Fresnelschen Festfeuerapparat dreht sich ein mit Prismenstäben ausgerüsteter Verdichter, durch den bis 1936 folgende Kennung zustande kam: 51 Sekunden festes weißes Feuer, fünf Sekunden Verdunkelung, drei Sekunden Blitz, zehn Sekunden Verdunkelung, drei Sekunden Blitz, zehn Sekunden Verdunkelung, drei Sekunden Blitz, fünf Sekunden Verdunkelung, 51 Sekunden festes weißes Feuer usw. Damit das Feuer bei Annäherung an Schärfe der Kennzeichnung nicht verliert, erstreckt sich die Höhe der Vorlinsen über die ganze Höhe des Festfeuerapparates. Der waagerechte Leuchtwinkel des Feuers beträgt entsprechend der Lage von Warnemünde in einer Küstensenkung nur 180 Grad. Damit die verlorengehende Hälfte der von der Lichtquelle ausgestrahlten Lichtmenge für die Leuchtwirkung nach See nutzbar gemacht wird, umspannt den als Lichtquelle dienenden Fünfdocht-Petroleumbrenner ein Hohlspiegel. Das Laternengehäuse besteht aus einem schmiedeeisernen Unterbau mit innerer Holzverkleidung von drei Meter lichtem Durchmesser, der durch 12 starke Anker mit dem Turm verbunden ist. Von der Granit-Podestplatte, die als Abdeckung auf dem Mauerwerk lagert, führt eine Leiter auf die innere, 1,8 Meter über dem Podest liegende Galerie, von der aus der optische Apparat bedient werden kann. Eine weitere Galerie aus durchlochten Blechen umgibt die Laterne in gleicher Höhe außen um 180 Grad und ist durch eine Leiter von der oberen Plattform des Turmes erreichbar, um die Laternengläser reinigen zu können. Auf dem Unterbau erhebt sich die 12-seitige Laterne, die nach See mit Verglasung in bronzenen Stäben und Fassungsleisten versehen ist mit doppeltem kupfernem Dach und kupferner Abzugshaube. Im Inneren ist auf der Podestplatte der gußeiserne Tisch von 1,77 Meter Höhe und 1,18 Meter oberem Plattendurchmesser mit sechs Bolzen befestigt, der den Fresnelschen Apparat von 1,4 Metern Durchmesser trägt und mit dessen nach unten ausgeschweifter, um 0,23 Meter gegen den oberen Rand vorspringender Platte sich die Vorlinseneinrichtung von 1,73 Meter lichtem Durchmesser auf 24 waagerechten und ebenso vielen lotrechten Rollen (ab etwa 1930 Kugeln) dreht . Die Vorlinsengruppen wurden durch ein Uhrwerk, das im Laternenunterbau angebracht war, mittels eines Gewichtes getrieben, das in einem schmiedeeisernen, 19 Meter tiefen Gewichtsschacht durch den Turm bis auf den zweiten Treppenabsatz über dem Gelände geführt wurde. Heute erfolgt der Antrieb elektrisch. Die Brenneinrichtung bestand bis 1911 aus einer fünfdochtigen Petroleumlampe mit gleichbleibendem Ölstand, welche in der Brennstunde 1,3 Liter Petroleum verbrauchte und deren Zylinder durch die Tropfschale hindurch bis dicht unter die Abzugshaube führte. Der Zug konnte durch eine Klappeneinrichtung von dem inneren Laternenumgang aus geregelt werden, um ein möglichst ruhiges, gleichmäßiges Brennen der Lampe zu erzielen. Die optische Einrichtung mit Tisch , Vorlinsen, Uhrwerk und Treibgewicht wiegt 9.000 kg.
Mit der Entwicklung der Dampfschiffahrt ließen auch die Fortschritte im Seezeichenwesen nicht lange auf sich warten. Um die Jahrhundertwende wurde vor allem den Lichtquellen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. 1911 erfolgte die Umwandlung des Petroleumdochtfeuers des Leuchtturmes in ein Petroleumglühlichtfeuer mit einem Glühstrumpf von 80 Millimetern Durchmesser. Durch diese Neuerung wurde die Sichtbarkeit des Feuers erheblich erhöht. Die vom Linsenapparat ausgestrahlte Lichtstärke war nun achtmal größer als vorher. Schließlich wurde 1917 eine verbesserte Gasglühlichtanlage von der Julius Pintsch AG auf dem Leuchtturm eingebaut, die am 19.05.1917 erstmalig brannte. Wegen der mit dem Fortgang des ersten Weltkrieges verschlechterten Versorgungslage mit Petroleum erfolgte bis zum 03.01.1919 der Umbau des Leuchtfeuers auf elektrisches Licht.
Im Rahmen von Kennungsänderungen auf verschiedenen deutschen Leuchttürmen erhielt das Leuchtfeuer Warnemünde nach Umbauarbeiten an dem drehbaren mit Prismenstäben ausgerüsteten Verdichter 1936 einen neuen Rhythmus der Lichterscheinungen mit Blitz-Gruppe 3+1 (0,3 Sekunden hell - 2,7 Sekunden dunkel - 0,3 Sekunden hell - 2,7 Sekunden dunkel - 0,3 Sekunden hell - 8,7 Sekunden dunkel - 0,3 Sekunden hell - 8,7 Sekunden dunkel) und im Jahre 1978 fand auch an der mecklenburgischen Ostseeküste die Ära der Leuchtfeuerwärter bzw. Leuchtfeuermaschinisten ihren Abschluß. Seit dieser Zeit wird das Leuchtfeuer Warnemünde durch eine ständig besetzte Fernwirkzentrale in Warnemünde-Hohe Düne ferngesteuert und überwacht.
Risse im Leuchtturmgemäuer führten 1949 zum Beginn einer intensiven Untersuchung der Standfestigkeit des Bauwerkes. Vermutlich muß der Temperatureinwirkung und dem damit verbundenen Spannungsverlauf innerhalb des Mauerwerkes eine besondere Bedeutung beigemessen werden. Da damit gerechnet werden mußte, daß die Risse im Leuchtturm im Verlauf der Jahre größer würden, wurde der Turm 1969 überholt. Dabei lag der Schwerpunkt auf dem Verschließen der Risse mit Zementmörtel.
Bis 1979 stiegen jährlich von Mai bis September etwa 160.000 Neugierige die 135 Stufen bis zur oberen Galerie empor. Das hinterließ Spuren. Deshalb wurde die Turmtür für Touristen verschlossen und eine umfangreiche Rekonstruktion beschlossen. Bis 1982 sanierte die PGH Bau Warnemünde den Leuchtturm im oberen Teil, der VEB Baureparaturen »Warnow« erneuerte die Fenster. Der in dieser Phase erdrückenden Ungewißheit des Fortganges der Rekonstruktion nahm sich die Denkmalpflege der Stadt Rostock an. Ohne Erfahrungen bei der Instandsetzung eines Leuchtturmes, begannen die Mitarbeiter der Denkmalpflege 1988 die letzte Etappe der Bauwerksanierung. Schon Ende des Jahres 1988 fand die Ausbesserung der Wendeltreppengranitstufen im Bereich der Geländerstützen ihren Abschluß. Polyesterharzbeton mit Granitvorsatz erwies sich hier schließlich als die Lösung. Die Verbindung zwischen der vorhandenen Stufe und dem anzusetzenden Teil wurde durch nichtrostende Anker hergestellt. Gleichzeitig komplettierte und sicherte man das gußeiserne Geländer und dessen hölzernen Handlauf. Bis zum Juli 1989 erfolgte das Auswechseln aller durch Korrosion beschädigten Podestträger. Die laut denkmalpflegerischer Zielstellung vorgegebene Erhaltung des metallenen Zylinders, der bis zum Einsatz von Elektromotoren zur Führung der Gewichte für den ehemaligen Drehwerksantrieb dient, verlief parallel dazu. Während noch 1989 ein neues Kabel zur Energieversorgung des Leuchtfeuers sowie weiterer Verbraucher im Turm verlegt wurde, erfolgte bis zum Monat August 1990 die Erneuerung der verzierten schmiedeeisernen Geländer der zwei äußeren Galerien und die erneute Sanierung der Risse in der Außenhaut mittels Spezialbaustoffen. Spontan fanden sich1990 fünf Firmen, die noch verschiedene Wunden des Leuchtturmgemäuers und der Laterne heilten. Außerdem war die gesamte Außenhaut erneut dringend säuberungsbedürftig. Auch die Laterne des Drehfeuers mit ihrem Kupferdach zeigte Alterserscheinungen. Schließlich mußte 1991 der nicht mehr reparable Windfang vor dem Turmausstieg auf der oberen Galerie ohne Ersatz demontiert werden. Der Turmausstieg erfolgt seitdem durch eine echte Schottür, wie sie bei Schiffen üblich ist. Nach gründlicher Vorbereitung durch das Wasser und Schiffahrtsamt Stralsund, das seit dem 03.10.1990 für den Leuchtturm verantwortlich zeichnet, und der RD-Arbeitsförderungsgesellschaft mbH Rostock, konnten 1993 wichtige Sicherheitsmaßnahmen für die Besteigung des Leuchtturmes realisiert werden. Dabei orientierte man sich denkmalpflegerisch am historischen Vorbild der Geländer im Schaft des Leuchtturms und der Galerien. Sämtliche Sicherheitsvorkehrungen wurden geschraubt und die Geländerzwischenräume mit bis zu 10 Millimeter starken durchsichtigen Makrokonplatten normgerecht verengt oder verschlossen. Nach sicherheitsbedingter Abstinenz begann damit sowohl für das Wartungspersonal als auch für die Touristen nach 14 Jahren eine neue Zeit in und auf dem verkehrstechnischen Denkmal Leuchtturm Warnemünde.
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