Ein Ehrenmal in St. Marien zu Rostock
Restaurierungsarbeiten sicherten das Gedenkkreuz
In der ehemaligen mittelalterlichen Ratskapelle der Marienkirche steht das Kruzifix eines Ehrenmales für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs, das neben Christus am Kreuz weitere Figuren umfasste. Das Ehrenmal wurde am 22. April 1923 feierlich übergeben. Es sollte an die Gefallenen Mitglieder der St.-Marien-Gemeinde erinnern. Sein Schöpfer war der zweiundzwanzigjährige Rostocker Bildhauer Walter Rammelt. Links und rechts des in der Mitte stehenden Kreuzes befanden sich Tafeln mit Bibelsprüchen. Dazu kamen vier senkrecht stehende Grabsteine, auf denen jeweils ein Soldat stand. Sie symbolisierten einen Landsturmmann, einen Landwehrmann, einen aktiven Soldaten und einen jungen Kriegsfreiwilligen. Zwischen den Soldaten hingen Tafeln mit den Namen der Gefallenen.
1922 hatte ein Preisrichterkollegium einstimmig für den Entwurf Rammelts, der seit Kriegsende in Rostock lebte, gestimmt und ihm den ersten Preis zuerkannt. Die Soldaten vermittelten einen eher derben Ausdruck, der nicht unwidersprochen blieb. Zeigte der Kriegsfreiwillige noch ein Lächeln angesichts der vermeintlich glorreichen Aufgabe, waren den beiden außen stehenden alten Kämpfern die Leiden des Krieges ins Gesicht geschrieben. Besonders jene Kriegsgläubigen und kaisertreuen Altmilitärs, die noch immer an den Sinn des Krieges glaubten, übten laute Kritik. Dennoch stand das Kunstwerk nun in der Marienkirche.
Dass es die Zeiten nicht vollständig überdauern würde, war damals noch nicht abzusehen. Drei Jahre nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten änderte sich das Bild. Im Januar 1936 kam es zu einer Besprechung zwischen den Kirchenvorstehern der Marienkirche und Rostocks damaligem Oberbürgermeister Volgmann. In dessen Ergebnis sollte zunächst versucht werden, eine Veränderung des Denkmals in Angriff zu nehmen. Auf Empfehlung von Oberregierungs- und Baurat Adolf Friedrich Lorenz vom Landesamt für Denkmalpflege sollten die vier Soldaten von den Grabsteinen genommen und stattdessen auf Wandplatten gesetzt werden. Das Ehrenmal würde sich, so hieß es, besser in die Kirche einfügen. Doch dazu kam es nicht. 1937 beschied der nunmehrige Direktor des Landesdenkmalamtes Arthur Pries, dass das Ehrenmal „entartete Kunst“ und folglich zu entfernen sei. Die vier Figuren sollten durch Schwerter und Opferschalen ersetzt werden. Aus Geldmangel der Gemeinde wurde die Umgestaltung, die vom Rostocker Bildhauer Ernst Wossidlo vorgenommen werden sollte, nicht ausgeführt. Die Figuren der Soldaten aber wurden entfernt. Aus Akten des Stadtarchivs geht hervor, dass sie im August 1940 als „bereits entfernt“ an das Bauamt gemeldet wurden. Im Kapellenboden sind noch die Abdrücke der Soldatenfüße zu sehen.
Ausführlicher kann über diese Geschichte in einer Arbeit von Bodo Keipke in den „Beiträgen zur Geschichte der Stadt Rostock“, Band 28, 2006, nachgelesen werden.
Das erhaltene Kruzifix wies mit den Jahren Schäden auf, die nun repariert werden mussten. Dazu mussten der rissige Putz und lose Steine aus dem Kreuz entfernt und neu eingefügt werden. Der Berliner Restaurator Thomas Schubert untersuchte zunächst die Beschaffenheit des Materials. Es sah auf den ersten Blick wie Naturstein aus. Dann aber stellte sich heraus, dass der Kern aus Ziegelsteinen gemauert war, der mit steinmetzmäßig behandeltem Putz verkleidet wurde. Klaffende Risse am Kreuz wiesen auf die Schadhaftigkeit hin. Sie wurden durch 1923 eingestellte Eisen hervorgerufen, die nun verrostet waren. Nach vorsichtiger Abnahme und Bergung des Putzes lag die verrostete Tragkonstruktion frei. Der Restaurator ersetzte die alten Eisen durch Edelstahl. Die Putzstücke wurden mit einem Kleber zusammengefügt und wieder in das Kreuz eingefügt. Es ist das einzig erhaltene Ehrenmal für Gefallene des Ersten Weltkriegs in Rostock.
Finanziert wurden die Arbeiten am Kreuz von der Evangelisch-Lutherischen Innenstadtgemeinde.
Am Fuß der Kapelle steht ein Gedenkbuch für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs, das der Rostocker Künstler Thuro Balzer geschaffen hat. An den Wänden hängen zwei Bilder des Rostocker Malers Egon Tschirch, die Christus bei Pilatus und das im Krieg zerstörte Rostock mit der erhalten gebliebenen Marienkirche zeigen. Außerdem erinnert eine Gedenktafel an den Turmdiener Friedrich Bombowski, der im Oktober 1942 gemeinsam mit seiner Tochter und anderen Helfern die Kirche vor der Brandzerstörung durch Bombenangriffe gerettet hat. So ist in der Kapelle eine einzigartige Sammlung von Kunstwerken zu sehen, die uns an die Opfer der beiden Kriege erinnert und zum Innehalten mahnt. Über allem steht das 1893 geschaffene Glasmalereifenster, dass die Auferstehung Christi zeigt. |