Frank Sakowski 25.01.2014


Geheimnisse der Kanzel

Die Absicht des Fördervereins der Marienkirche, die Kanzel, als mit der Reformation, der Stadt Rostock und der Universität verbundenes Kunstobjekt, bis zum fünfhundertjährigen Jubiläum der Reformation restaurieren zu lassen, führte unter anderem dazu, sie genauer anzusehen. Grundlage bildete die inzwischen vergriffene Broschüre der Marienkirchgemeinde „Die Kanzel der St. Marienkirche zu Rostock“ (Verfasser Pastor em. Ulrich Nath) und historische Fotos aus dem Bestand des Rostocker Stadtarchivs. Die Vergleiche sollten Fehlstellen an den Schnitzereien und fehlende Teile feststellen. Das ist auch gelungen.

So ist zu erkennen, dass an der Treppenwange, im Halbrelief „Gastmahl im Hause Simons“, eine Figur, links neben Christus entfernt wurde. Beim „Heiligen Abendmahl“ in der Mitte des Kanzelkorbs fehlt heute einem Jünger ein Arm, der auf den früheren Fotos noch vorhanden ist. Auch fehlt Johannes dem Täufer im Bild „Die Taufe Jesu“ der rechte Arm und die Siegesfahne war früher einmal beim Täufer, heute trägt sie Christus. Zwei am Schalldeckel sitzenden kleinen Engeln (Putto) fehlen Arme. Es gibt weiter Fehlstellen am Kanzelportal und an weiteren Stellen der Kanzel. Am erstaunlichsten ist die Entdeckung in der Kanzelnische mit der Kreuzigung.

Schon bei den Voruntersuchungen der Kanzel 2011, Herr Mannewitz, und im November 2013, Herr Sakowski, stellte sich heraus, dass eine Schnitzfigur nicht aus Holz sondern Terrakotta besteht. Es fiel schon auf, dass beide an der Kanzel vorhandenen Marienfigürchen relativ gleich aussahen, bis auf die unterschiedliche Armhaltung in den Szenen Geburt und Kreuzigung. Die Figuren sitzen beide auf Erhöhungen (Hügeln?), das linke Bein angewinkelt, das rechte ausgestreckt. Das ist schon eine ungewöhnliche Sitzhaltung. Im Bild Christi Geburt streckt Maria beide Arme in Richtung Krippe aus und es sieht so aus, als ob sie das Tuch richtet, auf dem das Jesuskind liegt.

Die Terrakottafigur in der Kreuzigungsszene hat die gleiche Sitzhaltung, jedoch liegen die Hände im Schoß, eine ruhige, versonnene Trauerhaltung. Die beiden anderen Frauenfiguren klagen jedoch viel bewegter und sind, sich gegenseitig stützend, ausgeführt. Die Terrakotte ist auf der Rückseite markiert: Bisher ist erkennbar (noch weitere Untersuchungen während der Restaurierung notwendig), SH Tschogge(?)…III.89 (J?). Daraus könnte sich ergeben, dass diese Figur um 1889 in die Kanzel kam und auch in dieser Zeit die Kanzel ihre jetzige Ausgestaltung und Fassung erhielt. Weil die Figur in ihrer Größe nicht richtig in die Kreuzigungszene passte, wurde am Sockel Material abgeschnitten und dieser Abfall in der Kanzel versteckt.

Mit diesen ersten Untersuchungen könnten die Grundlagen für die Ergänzung fehlender Teile gelegt werden.
FotoShow mit Detailaufnahmen vom Kanzelkorb, -portal und von der Kanzeltreppe
Die Terrakottafigur in der Kreuzigungsszene (Foto: Frank Sakowski)