Die Berliner Bildhauerschule
Die Geschichte der Bildhauerkunst
im Mecklenburg des 19. Jahrhunderts ist eng verbunden mit der
so genannten „Berliner Bildhauerschule“. Der frühe
Klassizismus des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts,
die Rückbesinnung auf die klassischen Ideale der Antike,
mit seinem bekanntesten Bildhauer Johann Gottfried Schadow (1764-1850)
gilt als Beginn einer langen (preußisch-) deutschen Bildhauertradition,
der Berliner Bildhauerschule. Seit 1786, dem Todesjahr Friedrich
II., veranstaltete die 1696 durch Kurfürst Friedrich III.
(ab 1701 König Friedrich I.) gegründete „Academie
der Mahler-, Bildhauer- und Architectur-Kunst“ öffentliche
Kunstausstellungen, die – nicht nur für Berlin –
zu einem besonderen gesellschaftlichen Ereignis avancierten. Nach
dem Ende der „friderizianischen Ära“ und unter
dem Eindruck der französischen Revolution von 1789 entfaltete
sich die geistige Entwicklung Preußens in breitem Maße.
Mit König Friedrich Wilhelm II. (1744-1797) hielt zudem ein
wachsender Liberalismus in Preußen Einzug, der dem aufstrebenden
Bürgertum ein großes Maß an Selbstbewusstsein
gab. Der musisch veranlagte König förderte zudem die
kulturelle Entwicklung seiner Hauptstadt. Im Zeitalter der Aufklärung
avancierte die Akademie zum Instrument der Modernisierung Preußens.
Unter König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) erfolgte 1799
mit der Gründung der Bauakademie ein weiterer Schritt in
diese Richtung. Friedrich Wilhelm III. war es auch, der durch
den Architekten Karl Friedrich Schinkel 1823-30 am Lustgarten
das erste Berliner Museum, das heutige Alte Museum, errichten
ließ.
Nach Schadow, der seit 1805 zunächst
Vizedirektor, ab 1816 dann bis zu seinem Tod Direktor der Akademie
der Künste war, folgte ihm sein Schüler, der wohl berühmteste
deutsche Bildhauer, Christian Daniel Rauch (1777-1857). Mit einem
vom deutschen Idealismus mit seinem Bild menschlicher Würde
geprägten Stil, sollte Rauch seinen Lehrer schnell überflügeln.
Die umfangreiche Rauch-Schule, er bildete in seiner Werkstatt
mehr als 50 talentierte junge Leute – unter ihnen auch wenige
Mecklenburger – aus, zeigte bereits eine Hinwendung zu einem
neuen Selbstbewusstsein.
Der Euphorie nach den Befreiungskriegen
folgte jedoch bald auf breiter Basis die Ernüchterung, als
Friedrich Wilhelm III. und auch sein Nachfolger Friedrich Wilhelm
IV. (1795-1861) die dem Volk gegebenen Verfassungsversprechen
nicht einlösten. Trotzdem erlebte Berlin in den nun folgenden
Jahrzehnten ein glänzendes Kapitel kultureller Entwicklung.
Mit dem besonders durch Kronprinz Friedrich (III.) vorangetriebenen
Aus- und Neubau der Museen zu einem konzentrierten Museumsbezirk
(„Museumsinsel“) avancierte Preußens –
seit 1871 unter Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) Deutschlands –
Hauptstadt zu einer Weltkunstmetropole. Auch der stetig zunehmende
Wohlstand des Bürgertums ließ den Umsatz auf dem Kunstmarkt
wachsen. Mit den Bildhauern Albert Wolff (1814-1892) und Fritz
Schaper (1841-1919), die in ihren Werken zunehmend weichere und
fülligere Formen verwenden, findet die Rauch-Schule zu einem
neuen, vitalen Menschenbild. Seit den 60er Jahren fand die Bildhauerkunst
mit der Hinwendung zu einer kraftvoll-dynamischen, betont sinnlichen
Naturnähe, dem Neubarock, eine neue Formensprache. Mit einem
vom kaiserlichen Hof hochverehrten und protagonierten Reinhold
Begas (1831-1911), dem letzten Schüler Rauchs, erstieg der
Neubarock zu ungeahnter Blüte.
Im Siegestaumel nach dem deutsch-französischen
Krieg und der Reichseinigung von 1871 explodierte mit der großen
Anzahl der allerorts in Deutschland entstehenden (Sieges-) Denkmäler
förmlich auch die Zahl junger Bildhauertalente, die mit mehr,
oft aber auch weniger Erfolg die Höhen der Bildhauerkunst
zu erklimmen versuchten. Ein fruchtbares Betätigungsfeld
waren jetzt nicht nur mehr Denkmäler und Büsten, sondern
– als ein Zeichen aufkommenden kleinbürgerlichen Wohlstandes
– auch zunehmend Kleinplastiken. Das wohlhabende Bürgertum
hatte in diesen Jahren nationalen Hochgefühls einen neuen
Kunstmarkt geschaffen, der einer großen Anzahl junger Bildhauer,
bei einer entsprechenden Präsenz auf den Kunstausstellungen,
ein geregeltes Einkommen sicherte. Viele fanden in ihren herzoglichen
und fürstlichen Landesherren, oder auch in vermögenden
Großindustriellen, Mäzene, die durch private Aufträge
und Ankäufe ihr eigenes Repräsentationsbedürfnis
in den Augen der Öffentlichkeit befriedigten.
Als im Jahr 1888 Wilhelm II. (1859-1941)
den kaiserlichen Thron bestieg, gab es nochmals einen gewaltigen
Aufschwung in der Bildhauerei, namentlich des Neubarock; das Pathos
der Kunst verband sich mit dem Pathos der Macht. Der Kaiser hegte
eine ganz besondere Vorliebe für die Plastik und wirkte durch
ein ungeheures Mäzenatentum außerordentlich verführerisch
auf die Künstler, die bereit waren, die Verkörperung
der neuen Staatsidee bildnerisch umzusetzen. Diese Entwicklung
bekam ihr maßlose Steigerung als Wilhelm II. „seinen
Berlinern“ die „Siegesallee“ zum Geschenk machte,
ein Ensemble von nicht weniger als 32 Marmorstandbildern von einstigen
Fürsten Brandenburgs und Preußens samt je zwei flankierenden
Büsten jeweiliger bedeutender Zeitgenossen (errichtet 1895-1901).
Bereits nach kurzer Zeit nahm die zeitgenössische Kritik
am Neubarock zu und bemängelte insbesondere die Flut an öffentlichen
Denkmälern, Kritiker sprachen gar vom „Ausbruch der
Denkmalspest“. Inklusive der z. B. am Sockel des Friedrich-II.-Denkmals
verherrlichten Personen gab es 1905 in Berlin Denkmäler für
85 Fürsten und Fürstinnen, 41 Staatsmänner und
Beamte, 35 Feldherren, 33 Gelehrte, 10 hervorragende Bürger,
22 Dichter und Schriftsteller, 7 Musiker, 24 Maler, Bildhauer,
Baumeister und Ingenieure, 16 Theologen, 3 Großindustrielle
und schließlich eine Reihe von Krieger- und Nationaldenkmälern.
Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts
schwand auch die inhaltliche Glaubwürdigkeit der Denkmäler,
zumal die Euphorie der Gründerzeit schnell verflogen war.
Seit etwa 1890 hatte ein neuer Prozess eingesetzt: zunehmend bevölkerten
nun „funktionslose“ Skulpturen wie Stehende, Liegende
und Kauernde die öffentlichen und privaten Anlagen. Auch
die Tierplastik entwickelte einen Höhepunkt. Ergebnis war,
dass mit „einer Reduktion von Form und Inhalt (...) der
Verlust an Individualität einher (ging), die schließlich
zum Ende des Denkmals führte.“ (Peter Bloch). Diese
Entwicklung öffnete den Künstlern allerdings einen größeren
gestalterischen Freiraum für eigene Schöpfungen, die
bisher in diesem Umfang nicht möglich gewesen waren. Künstler
wie Adolf von Hildebrand (1847-1921), der dieser Entwicklung entscheidende
Impulse gab, Peter Breuer (1856-1930), Adolf Brütt (1855-1939),
Wilhelm Haverkamp (1864-1929), Hugo Lederer (1871-1940), Fritz
Klimsch (1870-1960), August Kraus (1868-1934), Louis Tuaillon
(1862-1919), oder der bekannteste deutsche Tierbildhauer August
Gaul (1869-1921), der sich in erfrischend konsequenter Weise kaiserlichem
Einfluss entzog, indem er aus der Hintertür in den Grunewald
verschwand, sobald Seine Majestät vor dem Atelier vorfuhr,
prägten mit ihren Werken die neue Zeit.
Mit dem Fortschritt des 20. Jahrhunderts,
besonders dem Verlust deutscher Werte durch die Niederlagen aus
zwei Weltkriegen mit all ihren Auswirkungen, ging ein nahezu katastrophaler
Niedergang der Bildenden Künste, besonders auch der Plastik,
einher. Nicht zuletzt durch den leider zu früh verstorbenen
ehemaligen Direktor (1967/90) der Berliner Skulpturengalerie der
Stiftung Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz (SMPK),
Prof. Dr. Peter Bloch, und seinen tatkräftigen Mitstreiterinnen
und Mitstreitern ist jedoch in den vergangenen 30 Jahren eine
Rückbesinnung auf die Tradition der Berliner Bildhauerschule
möglich geworden. Kunsthistoriker und Kunststudenten erarbeiteten
für ihre Magisterarbeiten und Dissertationen zahlreiche Monographien
Berliner, bzw. in Berlin tätiger, Bildhauer. Namen wie Gustav
Bläser (1813-1874), Peter Breuer, Adolf Brütt, Friedrich
Drake (1805-1882), Gustav Eberlein (1847-1926),
Fritz Röll (1879-1956), Ernst Herter (1846-1917),
Hugo Lederer (1871-1940), Arthur Lewin-Funcke (1866-1937), Fritz
Schaper, Rudolf Siemering, Constantin Starck (1866-1939), Ernst
Wenck (1865-1929), Albert Wolff und viele andere werden wieder
genannt, ihr verstreutes und teilweise unwiederbringlich verlorenes
Œuvre erforscht und dokumentarisch erfasst. Einige Künstlermonographien
Berliner Bildhauer erschienen seither in Druck. Doch es ist höchste
Zeit, vieles ist bereits verloren, weiteres immer noch dem Verfall
preisgegeben.
Bildhauer
aus Mecklenburg in Berlin
Während es im Preußen
des 19. Jahrhunderts ungeachtet aller vorhandenen Missstände
einen stetigen gesellschaftlichen und politischen Aufschwung gab,
scheiterten alle diesbezüglichen Bestrebungen in dem durch
Ritterschaft und Landstände geprägten und diktierten
Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin. Eine Verfassung gab
es – abgesehen von einem kurzen, kläglich gescheiterten
Versuch 1848/50 – bis 1918 nicht! Bis auf wenige Ausnahmen
war es darum allein der Gunst – und den Launen – des
jeweiligen Landesvaters überlassen, jungen Talenten den Weg
in die Bildende Kunst zu öffnen. Hier erwiesen sich die kunstverständigen
Großherzöge jedoch oft als Gönner: für junge
Talente gab es nach eigens von Großherzog Friedrich Franz
I. 1837 festgelegten und von seinen Nachfolgern überarbeiteten
Prinzipien (Richtlinien) Stipendien des Ministeriums für
Kunst und Wissenschaft und auch des Unterrichtsministeriums. In
besonderen Fällen – es kam vor, dass es für die
Stipendien mehrere förderungswürdige Bewerber gleichzeitig
gab – bekamen die jungen Männer (Frauen waren an den
deutschen Akademien für Bildende Künste bis fast zur
Jahrhundertwende kaum vertreten) außerordentliche Beihilfen
aus öffentlichen Mitteln (Wilhelm Wandschneider bekam beispielsweise
ein zusätzliches Stipendium aus dem Industriefonds!) und
private Geldgeschenke der Großherzöge. Ungeachtet dieser
Unterstützung gelang es nur wenigen, die hohe Leiter des
Erfolges zu erklimmen. Die meisten von ihnen lebten mehr schlecht
als recht von der als „brotlos“ angesehenen Kunst.
Zudem bot ihnen die mecklenburgische Heimat keine Kunstschulen
und überdies auch nur wenig Möglichkeiten einer öffentlichen
Betätigung. Zahlreiche Bittschreiben an die Großherzöge
belegen die oft großen finanziellen Schwierigkeiten, die
fast alle jungen Künstler zu bewältigen hatten. Christian
Genschow fasste seine Situation 1862 in folgende Worte, die die
Stellung vieler Bildhauer treffend wiedergibt: „Nahrungsfragen
drücken mich oft danieder und die Aussicht auf die nächste
Zukunft war mir stets getrübt, stets entmutigend, niemals
erhebend. Ach! und die Ausübung der Kunst ist eine zarte
Pflanze, welche so sehr der Pflege bedarf und ohne Aufmunterung
dahinstirbt.“ In einigen Fällen halfen dann Aufträge
des Landesfürsten, schlechte Zeiten zu überstehen. So
wurde es beispielsweise schon eine Selbstverständlichkeit,
dass fast jeder junge Bildhauer Mitglieder der großherzoglichen
Familie porträtierte. Die Schlösser und herrschaftlichen
Häuser in Schwerin, Ludwigslust, Wiligrad, Gelbensande und
weiteren Orten waren reich ausgestattet mit diesen Büsten;
auch in öffentlichen Gebäuden (Rathäusern, Kurhäusern,
Postämtern, etc.) fand man eine große Anzahl davon.
Diese Abhängigkeit ging aber auch beispielsweise soweit,
dass es Christian Genschow Zeit seines Lebens nicht gelang, sich
von der Gunst der Großherzöge zu befreien. Doch auch
diese konnten mit Rücksicht auf die Staatsfinanzen nicht
immer helfen. Nur wenige Künstler schafften es, sich wie
Ludwig Brunow durch ein besonderes Talent und mit viel Fleiß
und Beharrlichkeit ein gesichertes Einkommen zu erarbeiten.
Der in Schwerin geborene Johann
Jürgen BUSCH (1758-1820), Neffe des bekannten Ludwigsluster
Baumeisters Johann Joachim Busch, ist als der vielleicht erste
mecklenburgische Bildhauer zu nennen. Er absolvierte die Akademie
in Kopenhagen und lebte anschließend in sehr dürftigen
Verhältnissen in Rom. Dort fertigte er für den mecklenburger
Herzog einige Antikenkopien in Marmor, die in die großherzogliche
Sammlung nach Schwerin kamen. Bemerkenswert ist seine heute in
unbekanntem Privatbesitz befindliche Büste der Friederike
Brun.
Der erste
Mecklenburger, der sich innerhalb der Berliner Bildhauerschule
einen Namen machte, war der in Rostock gebürtige Johann
Heinrich Daniel KAEHLER (1804-1878), von 1820 bis 1826
der letzte Schüler Johann Gottfried Schadows. Mit einer seiner
ersten eigenständigen Arbeiten, einer Statuette seines Lehrers
in halber Lebensgröße, die von Schadow zu seinem Grabmal
bestimmt wurde, konnte der junge Bildhauer bereits früh Zeichen
setzen und einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der bis dato
unüblichen Bildnisstatuetten geben. Nach längeren Aufenthalten
in Rom (u. a. beim berühmten dänischen Bildhauer Bertel
Thorvaldsen) und als vielbeschäftigter Porträtist in
London zog er sich 1846 aus dem aktiven Bildhauerleben zurück
und widmete seine Kraft einer geerbten Landmaschinenfabrik in
Güstrow. Mehrere Büsten besitzt das Güstrower Museum.
Nur in bescheidenem
Rahmen arbeitete in Schwerin Christoph Heinrich Hermann
PETTERS (1810-1884). Er arbeitete den plastischen Schmuck
des 1841 eingeweihten, 1882 abgebrannten Schweriner Schauspielhauses.
Sein umfangreichstes erhaltenes Werk entstand für den Schlossbau
in Schwerin, für das er mehrere Figuren,
z. B. zwei "Herolde", sowie zahlreiche
Reliefs und Säulenkapitelle schuf. Zum Wahrzeichen avancierte
sein "Petermännchen" (um 1856). Als Senator widmete
er sich außerdem dem kommunalpolitischen Geschehen in seiner
Heimatstadt.
Sehr ehrgeizig
und talentiert, jedoch ohne große künstlerische Bedeutung,
folgte ihm der ebenfalls in Rostock geborene Christian
Friedrich GENSCHOW (1814-1891). Er empfing von 1836-40
seine Ausbildung in Berlin bei Ludwig Wichmann (1788-1859), dann
bis 1842 bei Christian Daniel Rauch, in dessen Werkstatt er noch
bis 1850 als Gehilfe beschäftigt war und vorwiegend an den
Modellen zum berühmten Reiterdenkmal König Friedrichs
II. (1839/51, Berlin Unter den Linden) mitarbeitete. Dann folgte
die Beteiligung an der umfangreichen plastischen Ausschmückung
des großherzoglichen Schlosses in Schwerin (1850/57) mit
seinem Hauptwerk, dem Reiterstandbild des Obotritenfürsten
Niklot. Später entstanden nur noch wenige überlieferte
Werke, wie die „Schirmkinder“ in Lübz (1863)
oder die beiden Obotritengruppen auf der Schweriner Schlossbrücke
(1864/76).
Ähnlich präsentiert sich
der Lebenslauf von Gustav Adolph Friedrich WILLGOHS
(geb. 1819). Der Sohn eines Dobbertiner Arztes („Chirurgus“)
ist bis 1903 im Berliner Adressbuch nachzuweisen, ein Sterbedatum
fehlt bisher. Seine Tätigkeit beschränkt sich hauptsächlich
auf die Mitwirkung bei mehreren umfangreichen Bauprojekten. Wie
Genschow war auch er von 1850/57 an der umfangreichen plastischen
Ausschmückung des Schweriner Schlosses beteiligt. Es folgten
die Arbeit auf der Stammburg der Hohenzollern bei Hechingen (1860/66)
und beim Universitätsneubau in Rostock (1867/70). Darüber
hinaus sind nur wenige Arbeiten bekannt, darunter in Berlin ein
Grabrelief für Familie Lücke (1858), in Schwerin die
Figur der „Megalopolis“ auf der Siegessäule (1874)
und ein Relief des Arztes Carl Friedrich Flemming (1882).
Als vierter der am Schlossbau in
Schwerin beteiligten Bildhauer ist Carl Georg Ludwig WIESE
(1831-um 1891?) zu nennen. Wie Genschow war er ein Schüler
von Wichmann und Rauch in Berlin. Über sein bildhauerisches
Schaffen ist bisher nur wenig bekannt. Mehrere Figuren am Sparkassengebäude
in der Schweriner Puschkinstraße (um 1855), die beiden Figuren
eines Dragoners und eines Grenadiers für das Arsenal in Schwerin
(1858, zerstört), sowie die Figuren und Reliefs am Güstrower
Freiheitsdenkmal – hier in Zusammenarbeit mit Albert Wolff
– gehören zu den wenigen bekannten Arbeiten des Güstrower
Konditorsohnes.
Mit Carl Ludwig Friedrich
BRUNOW (1843-1913) konnte ein Mecklenburger die Höhen
der Berliner Bildhauerschule erklimmen. Er war der erste Denkmalplastiker
Mecklenburgs. Davon zeugen das Moltke-Denkmal
Parchim (1876), die Standbilder König Friedrich
I. und Friedrich Wilhelm II. (1880/81) für das Berliner Zeughaus
(heute auf Burg Hohenzollern) und das Reiterdenkmal
des Großherzogs Friedrich Franz II. in Schwerin (1893),
zerstört sind sein Bismarck-Denkmal in Elberfeld (1898) und
das Reiterdenkmal Kaiser Wilhelm I. in Erfurt (1900).
Der von Großherzog
Friedrich Franz III. und dessen Gemahlin Anastasia besonders geförderte
Hugo BERWALD (1863-1937) bekam seine Ausbildung 1881/84
an der Akademischen Hochschule für Bildende Künste Berlin
und 1890/92 in Rom bei Bildhauer Joseph von Kopf. Er arbeitete
insbesondere eine größere Anzahl hervorragender Porträtbüsten.
Seine größten Werke sind das Denkmal der Großherzogin
Alexandrine (1907), der Brunnen „Rettung aus Seenot“
(1911), ein „Kruzifix“ (um 1925) – alle in Schwerin
– und das Denkmal der Gefallenen des Jäger-Regiments
in Ludwigslust (Guss 1915, Enthüllung 1922).
Das umfangreichste Werk hinterließ
Wilhelm WANDSCHNEIDER (1866-1942) aus Plau, von
1886/94 Schüler der Akademischen Hochschule für Bildende
Kunst Berlin. Ihm sind zahlreiche Denkmäler und Figuren in
Mecklenburg zu verdanken, u. a. Bismarck
in Schwerin (1901, zerstört), Großherzog
Friedrich Franz III. in Rostock (1901, zerstört),
„Coriolan“ in Plau am See (1903), der
Brinckman-Brunnen „Voß un Swinegel“ in Güstrow
(1908), das Fritz-Reuter-Denkmal
in Stavenhagen (1911), der „Hechtbrunnen“
in Teterow (1914), „Sämann“ und „Mähender
Buaer“ in Plau am See (1934/35). Werke von ihm befinden
sich auch in Österreich, Frankreich, den Niederlanden und
den USA.
Besonders durch seine realistischen
Tierplastiken konnte sich Friedrich Franz BROCKMÜLLER
(1880-1958 Berlin-Charlottenburg) aus Schwerin einen Namen
machen. Einige seiner bronzenen Tierfiguren und zwei Porträtbüsten
befinden sich in der Sammlung des Staatlichen Museums Schwerin.
Vielleicht die einzige namhafte
Bildhauerin Mecklenburgs ist Margarete SCHEEL
(1881-1969), aus Rostock. Sie arbeitete in ihrem Atelier vorwiegend
Kleinplastiken und Reliefs, darunter bemerkenswerte Bauplastik
in Rostock.
Leider viel zu früh starb das
außergewöhnliche Talent Gustav Anton WALLAT
(1882-1911) aus Rostock, ohne ein großes Werk zu hinterlassen.
Die überlieferten Kleinplastiken „Warnemünderin“
und „Wasserträger“ sind künstlerisch hervorragend.
Sein „Muschelhorcherbrunnen“
in Rostock ist leider zerstört. Einige Denkmäler,
z. B. den Brinckman-Brunnen in Rostock,
schuf auch sein Bruder Paul WALLAT (1879-1964),
der jedoch hauptsächlich als Marinemaler bekannt ist.
Aus Neubrandenburg stammt Wilhelm
JAEGER (1888-1979), der für seiner Heimatstadt den
Brunnen „Mudder Schulten“
(1924) schuf und dort eine Zementwarenfabrik betrieb.
Sein künstlerisches Schaffen, darunter im Regionalmuseum
Neubrandenburg eine „Faungruppe“ und die Büste
des Malers Otto Wolfgang Spieß, ist nicht sehr umfangreich.
Seine Frau Lina Bartel-Jaeger arbeitete als Keramikerin.
Andere talentierte junge Bildhauer
folgten, bevor mit dem Ende des 1. Weltkrieges auch jenes der
Berliner Bildhauerschule und ihrer mecklenburger Künstlerkarrieren
besiegelt war.
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