Der
verdienstvolle Fotowissenschaftler Wolfgang Baier kam am
5. Oktober 1889 in der Familie eines Stralsunder Rechts-anwalts
und Notars zur Welt. Nach Schulbesuch in der pommerschen
Hanse-stadt siedelte er mit seinen Eltern nach Hamburg-Wandsbek
über, wo er 1908 auch das Abitur ablegte. Mit dem Ziel
des höheren Lehramtes studierte er Mathematik, Physik,
Chemie, Geologie und Mineralogie in Jena, München,
Berlin Greifswald und Rostock. 1914 wurde er in München
mit einer mathematischen Dissertation und dem Prädikat
"Magna cum laude" zum Dr. phil. promoviert.
Ab 1918 unterrichtete er bis zum Jahre 1945 an einem Rostocker
Lyzeum, einer höheren Schule für Mädchen.
Politisch unbelastet konnte er seine Lehrtätigkeit
in Mathe-matik, Physik und Chemie auch danach erfolgreich
und geachtet bis zu seiner Pensionierung fortsetzen.
Schon frühzeitig hatte er begonnen, sich theoretisch
und praktisch mit Fotografie zu beschäftigen. Sie wurde
ihm schließlich zum zweiten Beruf. An der Rostocker
Alma mater besuchte er Vorlesungen und Übungen zu diesem
Gebiet und bot selbst an der Volkshochschule entsprech-ende
Lehrveranstaltungen an. Im Jahre 1929 war er an der Gründung
der "Photographischen Gesellschaft zu Rostock"
beteiligt, die ihn zu ihrem Vorsitzenden wählte; ein
Amt, das er mit dem Machtantritt der Nazis aufgeben musste.
Nach dem Ende des "Dritten Reiches" konnte er
in der Volkshochschule an seine Lehrtätigkeit zu fotografischen
Fragen anknüpfen. Auf höherer Ebene vermittelte
er im Rahmen eines Lehrauftrags interessierten Studenten
die "Theorie und Praxis der Fotografie" im Rahmen
eines Spezialkollegs. Studenten der Kunstgeschichte machte
er mit "Grundfragen der Lichtbildkunst" vertraut.
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Nach
Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit widmete er
sich mehreren Projekten, die ihm der renommierte Foto-kinoverlag
angetragen hatte. 1964 erschien aus seiner Feder eine ebenso
umfassende wie umfangreiche Quellendokumentation zur Geschichte
der Fotografie. Sie vermittelt zuverlässig die wesentlichen
Quellen zur Vorge-schichte und Geschichte der Fotografie
von deren Anfängen bis zu Beginn der sechziger Jahre
des 20. Jahr-hunderts. Nach Auffassung von Fachleuten bildet
der "Baier" "für jede fotohistorische
Untersuchung und Dar-stellung eine wertvolle, ja unentbehrliche
Grundlage.
Der künstlerisch vielseitig gebildete, interessierte
und aktive Baier arbeitete als Zeichner und Maler, vorrangig
aber als Lichtbildner. Beredter Ausdruck seines Ver-mögens
ist der bereits 1929 im Rostocker Hinstorff Verlag erschienene
kleine Band "Das schöne Rostock" mit 37 Lichtbildern
aus der Stadt und ihrer Umgebung. Sie umfassen ein breites
thematisches Spektrum und vermit-teln dem Betrachter teilweise
eine fast atemberaubende atmosphärische Dichte. In
seinem Vorwort stellte Oscar Gehrig fest: "Aus zahlreichen
Aufnahmen, die im Laufe der letzten Jahre von Wolfgang Baier
hergestellt worden sind, aus all den vielen, keinem anderen
´Zweck´ als dem Sehen und Erleben dienenden
photographischen Bildern ist die hier vorliegende Auswahl
getroffen."
Es ist dem Sohne Volkmar Baier zu danken, dass vieles aus
dem nachgelassenen Werk Wolfgang Baiers erhalten worden
ist. Besonderer Dank gilt diesem dafür, dass er hochinteressante
Fotos unterschiedlicher Technik der Öffentlichkeit
zugänglich macht. Mittlerweile haben sie zusätzlichen
Wert als historische Dokumente für ein in einem verbrecherischen
Krieg sinnlos zerstörtes Stadt-bild. Diese zugewachsene
Funktion erlaubt sicher auch die Veröffentlichung von
Aufnahmen, die dem hohen Anspruch des Bildkünstlers
Wolfgang Baier vielleicht nicht gerecht gewesen wären.
* Die Darstellung der Vita von Dr. Wolfgang
Baier stützt sich wesentlich auf einen Beitrag von
Friedrich Herneck in Fotografie, 6/1982, S. 206 ff.
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